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Tränen im Regen

Tränen im Regen

Titel: Tränen im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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die Nächte. Ein Alptraum nach dem anderen sorgte dafür, dass er schreiend im Bett saß und jedes Mal eine halbe Ewigkeit brauchte, um sich wieder zu beruhigen. Egal, wer bei ihm war, Dale, seine Väter oder Niko, es half nicht. Manchmal träumte er davon, wieder in der Kiste zu sein und zu sterben. Dann wieder sah er Alex, wie er aus seinem Grab stieg und eigenhändig die schmale Kiste zunagelte, in der er hockte, und die sich im nächsten Moment als Sarg entpuppte. Es war furchtbar.
    Kilian traute sich immer weniger die Augen zu schließen und zu schlafen. Colin schlug schließlich vor, das Licht im Flur brennen zu lassen und die Tür nicht zu schließen, sodass er nachts genug sehen konnte. Das machte die Dunkelheit zwar nicht besser, aber zumindest etwas erträglicher für ihn. Eine Dauerlösung war das allerdings auch nicht, das wusste Kilian. Zumindest half es ihm in den nächsten Tagen dabei, wenigstens ab und zu ein paar Stunden zu schlafen. Immerhin ein kleiner Fortschritt.
    Kilian verbrachte die meiste Zeit in seinem Zimmer und versuchte sich an neuen Zeichnungen, die ihm nicht wirklich gelangen. Am Ende gab er frustriert auf und beschäftigte sich stattdessen mit Dale, seinen Büchern oder seinen Vätern, wenn sie sich zu ihm setzten, um Karten zu spielen oder einfach nur, um für ihn da zu sein.
    Als Colin eines Morgens fragte, ob er bei der Dekoration vom Haus helfen würde, sagte Kilian zu, auch wenn er im ersten Moment nicht mal wusste, wovon sein Vater sprach. Unten fiel es ihm dann wieder ein. Weihnachten stand vor der Tür. Dales Geburtstag und er hatte immer noch nicht über ein Geschenk nachgedacht. Gott sei Dank gab es das Internet, denn er würde es nie hinkriegen, in die Stadt zu gehen und etwas zu kaufen.
    Im Wohnzimmer erwartete Kilian eine Überraschung, denn Niko und die Zwillinge waren da, was ihn für die nächsten Stunden gut von seiner Angst ablenkte, bis irgendwer am Ende das Licht ausmachte, um die Sterne und die Lichtbögen in den Fenstern zu bewundern.
    Kilian flüchtete.
    Vor der Dunkelheit, seiner Familie, aber vor allem vor sich selbst. Er rannte in sein Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und verriegelte sie, um die Deckenleuchte, sowie die Lampe auf seinem ehemaligen Schreibtisch und die neben seinem Bett einzuschalten, indem er sich schließlich wiederfand. Eingewickelt in die Decke, seine Nase in das Kopfkissen vergraben, an dem Dales Geruch haftete, und dumpf vor sich hin starrend.
    So konnte es nicht weitergehen. Kilian wusste das und er wollte diese miesen Polizisten nicht im Nachhinein gewinnen lassen, aber er kam einfach nicht gegen diese lähmende Angst an. Er schaffte es seit der Entführung ja nicht mal sein eigenes Haus zu betreten, wo alles angefangen hatte. Drei Mal hatte er es in den letzten Wochen versucht und war trotz der Hilfe seiner Väter und Dale nie weiter als bis zur Haustür gekommen. Wie sollte er sich in seinem eigenen Haus je wieder sicher fühlen, wenn er es nicht betreten konnte?
    Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, Kilian wollte nicht mehr dorthin zurück. Er würde sich ein neues Haus suchen, das sicherer war. Ein Haus mit einer Alarmanlage und einem großen Hund, der ihn beschützte. Einem bissigen Hund.
    Kilian wusste, dass er sich Hilfe suchen musste, bevor es schlimmer wurde. Bevor seine Angst zu einem ernsthaften Problem wurde, aber noch war er nicht soweit. Im Moment wollte er einfach nur hier liegen, in einem hellen Zimmer, dessen Wände nicht auf ihn zukamen, sobald er sich bewegte und wo er keine Gefahr lief zu erfrieren, wenn er die Augen schloss und einschlief.

    Er musste eingeschlafen sein, denn als Kilian das nächste Mal die Augen öffnete, saß Dale neben ihm auf der Bettkante und sah ihn an. Kilian runzelte irritiert die Stirn. Aus zweifacher Hinsicht. Erstens, da er scheinbar keinen Alptraum gehabt hatte und zweitens hatte er seine Zimmertür vorhin abgeschlossen, da war er sich sicher.
    „Wird das jetzt ein Fetisch?“, fragte er und verkniff sich ein Lachen, als Dales Blick eindeutige Irritation zeigte. „Dass du bei mir einbrichst, meine ich? Ist schon das zweite Mal.“
    Dale schmunzelte. „Du hattest abgeschlossen. Was sollte ich sonst machen? Die Tür eintreten, wie Colin es wollte?“
    Kilian seufzte. „Das wundert mich nicht. Wo sind sie überhaupt?“
    „Im Wohnzimmer. Niko hat sie zum Kartenspielen und Abwarten verdonnert, damit ich in Ruhe mit dir reden kann.“
    Oh je. Reden. Kilian ahnte, was jetzt kam.

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