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Tränen im Regen

Tränen im Regen

Titel: Tränen im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mathilda Grace
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Dale hatte die letzten Wochen nicht viel gesagt, jedenfalls nicht in Bezug auf das Verhalten, was er derzeit an den Tag legte. Aber damit war wohl jetzt Schluss.
    „Muss das sein?“, fragte er mit der Hoffnung noch eine Schonfrist aushandeln zu können, aber Dales Kopfschütteln machte diese kleine Hoffnung sofort zunichte. „Dale...“
    „Nein.“ Dales Blick war ernst. „Wir können so nicht weitermachen. Du kannst so nicht weitermachen, das weißt du, Kilian. Früher oder später traust du dich sonst gar nicht mehr aus deinem Zimmer raus, geschweige denn nach draußen.“
    Kilian verzog das Gesicht. „Ich weiß.“
    „Ich habe uns Hilfe besorgt. Und bevor du schimpfst, es ist keine fachliche Hilfe, die solltest du dir selbst holen, wenn du soweit bist.“ Dale stand auf und trat zum Bettende, um einen Karton in die Hände zu nehmen, der dort bislang verborgen gestanden hatte. „Voilà.“
    „Voilà?“, wiederholte Kilian verdutzt und starrte auf den Karton. „Ähm, es ist ein Karton.“
    Dale lachte und nickte, bevor er den Karton aufs Bett stellte und den Deckel abhob. „Hey Baby. Willst du nicht 'Hallo' sagen?“
    Hallo sagen? Kilian sah Dale verblüfft an. Was meinte sein Freund denn damit? Er bekam seine Antwort, als auf einmal zwei Pfoten auf dem Kartonrand auftauchten, dicht gefolgt von einem kleinen Kopf mit Schlappohren und einer rosa-schwarz-gepunkteten Nase.
    „Ein Welpe?“, murmelte Kilian und sah auf das niedliche dreifarbige Wollknäuel, das gerade unsicher aus dem Karton kletterte und erstmal am Bettrand schnüffelte, um danach vorsichtig auf ihn zuzutapsen. Braun, weiß und schwarz – ein echter Glückshund, wenn man denn an so etwas glaubte. Kilian runzelte die Stirn, als ihm auffiel, dass der Welpe den Kopf regelmäßig hin und her bewegte. „Stimmt etwas nicht mit ihm?“
    „Ihr“, antwortete Dale und setzte sich wieder zu ihm aufs Bett. „Sie ist ein Australian Shepard und ihr Besitzer wollte sie nicht haben, weil sie auf einem Auge blind ist. Aber ich dachte, das stört uns nicht.“
    „Ein Mädchen also.“ Kilian grinste, als der Welpe seinen Hintern auf die Bettdecke plumpsen ließ und ihn anhechelte. „Na du?“
    „Cupcake. Ihr Name ist Cupcake.“
    Kilian grinste wegen des Namens, aber er passte perfekt. Cupcake schien er jedenfalls zu gefallen. Er streichelte dem Welpen über den Kopf, was auf sehr viel Gegenliebe stieß, denn Cupcake angelte sofort nach seiner Hand und hielt sie fest, was Kilian zum Lachen brachte. Es war lange her, dass er ehrlich und offen gelacht hatte und Kilian verzog das Gesicht, als ihm klar wurde, wie sehr er das alles verabscheute. Die ständige Angst, das Verstecken, seine Unfähigkeit, mit dem Erlebten klarzukommen. Er war das Opfer eines Verbrechens geworden, aber statt sich zu freuen, dass er überlebt hatte, versank er immer tiefer in dem Loch, das er sich auch noch selbst grub.
    „Ich bin ein Versager“, flüsterte er, ohne darüber nachzudenken.
    Dale griff nach seinem Kinn und zwang ihn aufzusehen. „Wag' es ja nicht, Kilian! Wag' es nicht, so zu denken.“ Kilian zuckte zusammen. „Und hör' auf vor mir Angst zu haben, nur weil ich etwas lauter werde. Du weißt, dass es dafür keinen Grund gibt. Du weißt, dass ich dich liebe. Jeder im Haus tut das.“ Dale tippte ihm gegen die Stirn. „Kämpf' gegen deinen Verstand, Kilian. Solange er dir einreden kann, dass in der Dunkelheit der schwarze Mann sitzt, wird es nicht besser werden.“
    „Ich versuche es doch“, hielt Kilian dagegen, worauf Dale den Kopf schüttelte.
    „Warum bist du dann hier oben, statt unten bei deinen Vätern und der Familie? Warum verkriechst du dich in deinem Zimmer?“
    Kilian verlor die Nerven. „So einfach ist das nicht! Das weißt du doch genau, oder hast du vergessen, was letztes Mal passiert ist?“
    Sein letzter Versuch aus dem Haus zu gehen, hatte ihm fast einen Nervenzusammenbruch beschert, weil ihr Nachbar zufällig zur selben Zeit aus dem Haus gekommen war, um seinen Müll wegzubringen. Durch die Dunkelheit hatte Kilian ihn nicht sofort erkannt und war ausgeflippt, als Colin nach seiner Hand gegriffen hatte, um ihm zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Das war schon einige Tage her, aber seither hatte Kilian es nicht mehr versucht.
    „Nein, das habe ich nicht.“ Dale ließ sein Kinn los und streichelte ihm stattdessen sanft über die Wange. „Es tut mir so leid, Kilian.“
    Kilian schüttelte den Kopf, weil er wusste, was Dale meinte.

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