Träum ich?: Roman (German Edition)
Spitzenmuster auf seinem Schreibtisch ins Auge.
»Dr. Hunters Tochter hat gerade geheiratet und er hatte noch ein paar Muster über. Mir gefallen diese Einladungen hier, dir auch?«, sagt er und nimmt eine Karte.
Ich nehme sie in die Hand, ertrage aber kaum die Vorstellung, dass andere Menschen den Rest ihres Lebens in ehelichem Glück verbringen dürfen.
»Gogo«, seufze ich, »können wir uns bitte kurz setzen?«
»Natürlich«, sagt er, nimmt auf einem der Besucherstühle Platz und schiebt mir den anderen hin. »Was ist denn? Ist alles in Ordnung mit dir? Du siehst nicht so gut aus.«
»Gogo, du weißt doch, dass ich verrückt nach dir bin, oder? Du weißt, dass du der einzige Mensch bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte, oder?«
»Ja, aber …«
»Nun«, sage ich und hole tief Luft. »Ich … ich …«
»Aber du hast kalte Füße bekommen«, souffliert er mir.
Warum sage ich ihm nicht einfach die Wahrheit? Warum eröffne ich ihm nicht einfach, dass ich Schluss machen muss? Vielleicht, weil er in seinem weißen Arztkittel so gut aus sieht.
»Ja, ich hab kalte Füße bekommen«, bestätige ich und atme geräuschvoll aus.
»Das geht vorbei«, sagt er, streckt die Hand aus und legt sie mir auf die Schulter. »Du bist aber sehr angespannt«, bemerkt er dann, steht auf und fängt an, mir die Schultern zu massieren.
»Nein, das geht nicht vorbei, du verstehst das nicht. Wenn ich es dir einfach nur erklären könnte, würdest du es begreifen.«
»Du hast Angst, Lil, das ist ganz natürlich. Das kann dir niemand vorwerfen.«
»Nein, du verstehst es einfach nicht.«
Gogo hält in seiner Massage inne und beugt sich zu mir herunter.
»Lily, weißt du eigentlich, warum ich dich so sehr liebe?«, flüstert er fast.
»Warum?«
»Weil du, seit ich dich kenne, so rücksichtsvoll mir gegenüber warst, dass du dich ständig infrage gestellt hast.«
»Aber dafür gibt es einen Grund …« Ich will ja versuchen, es ihm zu erklären, doch er spricht einfach weiter.
»Und wenn ich etwas für dich tue, und sei es auch nur eine Kleinigkeit, bist du dankbarer als jeder andere Mensch, der mir je begegnet ist. Manchmal sehe ich dich an und hab das Gefühl, dass ich dazu bestimmt bin, dich glücklich zu machen. Und ich freue mich, das für dich tun zu können, Lil.«
Ich springe auf und schiebe meinen Stuhl zurück. Ich halte es einfach nicht mehr aus.
»Ich kann dich nicht heiraten, weil die Frauen in meiner Familie verflucht sind. Wenn ich dich heirate oder auch nur mehr Zeit mit dir verbringe, wird dir etwas Schlimmes zustoßen!«, platzt es aus mir heraus.
Gogo lässt sich auf seinen Stuhl sinken und blickt mich schockiert an.
»Deshalb hab ich mich nur mit Männern abgegeben, die mich wie Dreck behandelt haben. Deshalb war es meiner Mutter und meiner Großmutter so wichtig, dass ich mich niemals in einen anständigen Mann verliebe. Ich sage es dir, Gogo: Zu deinem eigenen Besten müssen wir uns trennen und dürfen uns nie mehr wiedersehen. Meine Ururgroßtante Emmalina hat die Frauen in meiner Familie mit einem Fluch belegt, der da lautet: Wenn eine von uns aus Liebe heiratet, wird etwas Schlimmes geschehen. Ich habe es miterlebt, dass meine Mutter sich aus mysteriösen Gründen fünfmal scheiden lassen musste – unter anderem wegen übermäßigem Haarwuchs, Kidnapping durch eine Tuba und anhaltendem Schluckauf –, und das kann ich dir einfach nicht antun!«
Gogo sitzt immer noch da und starrt mich an.
»Ich glaube, es sind die Nerven«, sagt er schließlich. »Ich schreib dir ein Rezept für ein Beruhigungsmittel.«
»Nein, es sind nicht die Nerven! Hör mal, lass uns Dolly und Selma besuchen, die werden dir alles erzählen. Dann wirst du es verstehen. Es tut mir so leid, dass wir uns ineinander verliebt haben. Es tut mir so leid, dass ich dir das antun muss, aber ich muss mich von dir trennen, eben weil ich dich so liebe, wie ich noch keinen anderen Menschen in meinem ganzen Leben geliebt habe.«
»Das ist doch Irrsinn«, sagt er und wird langsam wütend. »Wenn dir keine bessere Ausrede einfällt, um mit mir Schluss zu machen, dann reicht es mir auch langsam.«
»Aber ich liebe dich, wirklich«, widerspreche ich und nehme seine Hand. »Ich darf dich nur nie mehr wiedersehen. Es ist der Fluch.«
»Ein Fluch?« Er lacht.
»Ja, ein Fluch, ich schwöre es«, bekräftige ich. »Ich rufe jetzt Dolly und Selma an, die werden es dir erklären. Sie haben es mir auch erklärt, es stimmt
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