Träum ich?: Roman (German Edition)
fragte er und kam in seinen Boxershorts aus dem Haus. »Du hast gar keinen Termin, oder?«
»Ach«, stammelte ich, »ehrlich gesagt: nein. Es ist nur, die letzte Nacht war so großartig, da wollte ich nicht die berüchtigten Worte hören.«
»Welche berüchtigten Worte?«, fragte er.
»Du weißt schon … die ein Typ von sich gibt, nachdem er mit einem geschlafen hat: ›Ich ruf dich an‹ oder ›Ich ziehe nach Alaska‹.«
»Ich weiß, dass du mit einem Vollidioten zusammen warst, aber bist du derart traumatisiert, dass du nicht mal mehr weißt, ob jemand dich mag oder nicht?«
»Ich bin nicht traumatisiert«, wehrte ich gekränkt ab.
»Was ist dann los mit dir? Ich ziehe nicht nach Alaska, Lily. Ich werde nicht aufhören, dich anzurufen, bloß weil wir miteinander geschlafen haben. Herrgott, man könnte meinen, du hättest noch nie einen Typen gehabt, der dich anständig behandelt hat.«
»Mag schon sein«, gab ich zurück. »Vielleicht gibt es solche Typen auch gar nicht.«
»Und wer hat dir das gesagt? Deine Mutter? Oder deine Großmutter?«
»Nein«, erklärte ich. »Das weiß ich aus Erfahrung.«
»Dann werde ich mal einiges zurechtrücken. Es ist Zeit, dass du es mit einem anständigen Typen zu tun bekommst. Und jetzt los, komm wieder rein, ich mach dir Frühstück, okay?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich.
»Was kann denn Schlimmes passieren?«, fragte er. »Wenn ich mich als übler Typ entpuppe, bin ich eben genauso wie alle anderen. Aber wenn nicht, tja, dann … Jedenfalls wirst du es nie erfahren, wenn du mir keine Chance gibst.«
Gogo lächelte einladend und nahm mich bei der Hand.
»Bist du sicher?«, fragte ich. »Denn ich weiß nicht, ob ich es ertragen würde, wenn du dich plötzlich doch als mieser Typ entpuppen solltest.«
»Das wird nicht geschehen, versprochen«, sagte er. »Zumindest nicht so bald«, fügte er hinzu und drückte meine Hand. »Ich entwickle mich frühestens nach sechs Monaten Beziehung zum miesen Kerl.«
»Ich dachte, du hättest seit dem College keine ernst zu neh mende Beziehung mehr gehabt?«, entgegnete ich lächelnd.
»Von den anderen hab ich dir gar nicht erst erzählt«, scherz te er. »Komm jetzt wieder rein«, sagte er dann und zog mich ins Haus.
Als kurz darauf das Taxi eintraf, rannte Gogo noch mal hinaus, gab dem Fahrer ein Trinkgeld und schickte ihn wieder weg.
Im Verlauf des letzten Jahres hab ich Vertrauen zu diesem Menschen aufgebaut, der nie vergisst, mir dicke Socken auf meinen Nachttisch zu legen, falls ich nachts mal kalte Füße bekomme. Ich hab gelernt, diesem Menschen zu vertrauen, den es nicht stört, im Kino als einziger Mann in einem Frauen film zu sitzen, und der mich die Heizung hochstellen lässt, obwohl ihm bereits der Schweiß von der Stirn tropft. Vor allem aber habe ich mich daran gewöhnt, jeden Morgen zur Arbeit zu kommen und dort bereits eine E-Mail von Gogo vorzufinden. Ich liebe es, selbst wenn es meist nur eine kurze Bemerkung ist:
Ich vermisse dich jetzt schon.
G.
Manchmal enthält die E-Mail auch ein albernes Bild, wie zum Beispiel einen Affen, der eine Pralinenschachtel hält und seine Lippen zu einem Kuss spitzt.
Hin und wieder sind es aber auch so liebevolle Worte, dass ich kaum glauben kann, wie jemand so etwas zu schreiben wagt:
Danke, dass du mich zum glücklichsten Menschen auf Erden machst. Ich will den Rest meines Lebens dafür sorgen, dass es dir ebenso geht.
In Liebe
G.
Mit diesem Mann soll ich Schluss machen? Nur wegen des Fluchs meiner Ururgroßtante, die von meiner Ururgroßmutter gelinkt wurde?
Dieses Miststück!
Heute habe ich früh Feierabend gemacht. Da ich ohnehin nichts Vernünftiges zustande brachte, täuschte ich eine Erkältung vor und machte mich aus dem Staub. Dann rief ich Gogos Sekretärin Bernice Zankower an, eine stattliche Mittsechzigerin, die immer gut gelaunt ist, und bat sie, mir einen Termin zwischen der Tetanusspritze des kleinen Jeremy Taylor und der Angina des kleinen Morgan Carson zu geben, ohne Gogo davon zu erzählen.
»Eine Überraschung, wie romantisch«, hauchte sie.
Autsch.
»Du bist der erste Lichtblick des Tages«, sagt Gogo, als er mich im Wartezimmer erblickt.
»Hi«, sage ich seufzend, »ich muss dich sprechen.«
»Gut«, sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. »Gehen wir in mein Sprechzimmer. Ich hab da etwas, was ich dir zeigen möchte.«
Als wir Gogos Sprechzimmer betreten, fallen mir sofort ein paar cremefarbene Einladungen und mehrere
Weitere Kostenlose Bücher