Träum ich?: Roman (German Edition)
Von nun an kann mir dieses Weib gestohlen bleiben.«
»Was willst du denn machen?«
»Was ich machen will?«, sagt sie, schnappt sich die Fernbedienung und stellt den Ton ab. »Ich werde ausziehen. Es wird langsam Zeit, dass ich aus dem Haus meiner Mutter ausziehe und mir eine eigene Wohnung suche.«
»Aber es ist doch dein Haus«, widerspreche ich. »Deine Mutter wohnt bei dir. «
»Ach ja.« Sie nickt müde, wirft einen Blick zum Fernseher und sieht mich dann wieder an. »Dann stecke ich sie ins Altersheim. Wenn ich dort erzähle, was sie gemacht hat, werden sie alle für völlig verkalkt halten.«
»Ach, komm schon, mach doch kein solches Drama daraus«, wehre ich ab. »Und jetzt hoch mit dem Hintern! Komm mit raus und iss mit uns. Es ist so ein schöner Tag heute.«
»Ich habe nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt«, ruft sie theatralisch. »Keine Männer, keinen Sport, was bleibt mir da noch? Sag’s mir, Gott!« Sie blickt nach oben, als ob Gott an der Decke hängen würde. »Willst du meine Seele auch noch haben?« Sie kneift die Augen zusammen, um besser sehen zu können. »Ach, du liebe Zeit«, sagt sie in normalem Tonfall, »die Decke muss aber auch mal wieder gestrichen werden.« Sie sieht sich um. »Genauer gesagt: das ganze Zimmer.«
»Dann hast du doch schon dein nächstes Projekt«, sage ich und reiche ihr die Krücken. »Aber jetzt steh auf, damit wir draußen was essen können.«
»Na großartig, damit ich auch noch fett werde«, gibt sie zurück, setzt sich auf und nimmt eine Krücke. »Das hat mir gerade noch gefehlt.«
»Die Krücken trainieren aber sicherlich deinen Bizeps«, erwidere ich. »Deine Oberarme könnten noch ein paar Muskeln vertragen.«
»Das stimmt«, gibt sie zu und hievt sich mit den Krücken hoch. »Vielleicht könnte ich ein paar Gewichte daran befestigen«, überlegt sie und betrachtet sie prüfend.
»Siehst du, es hat doch alles sein Gutes.«
In diesem Moment klingelt das Telefon. Ich gehe hin, um mich zu melden.
»Spar dir die Mühe«, sagt Mom und humpelt zur Tür. »Das ist Carter. Er hat schon viermal angerufen und Nachrichten hinterlassen, um zu fragen, wo ich bleibe.«
»Warum bist du nicht ans Telefon gegangen?«, frage ich und helfe ihr die Treppe hinauf.
»Ach, dann kommt er rüber und will sich um mich kümmern. Aber an so einer Beziehung bin ich nicht interessiert. Ich will die Oberhand behalten, was ihn angeht. Er soll mich nicht derart angeschlagen sehen.«
»Früher oder später wirst du mit ihm reden müssen.«
»Dann lieber später«, erklärt sie. »So, welches Haus ist heute dran?«
»Mr Saulbrooks.«
»Hat er dich gebeten, auf seine Stauden zu achten?«
»Ich hüte sie wie die Kronjuwelen.«
»Du bist ein liebes Mädchen«, sagt sie und hüpft die Treppe hinauf. »Und wild entschlossen, Gogo zurückzugewinnen. Ich versteh’s einfach nicht. Eigentlich müsste er sich jetzt schon nach dir verzehren.«
»Langsam, aber sicher kommt es«, versichere ich ihr. »Aber jetzt lass uns rausgehen.«
»Schön«, sagt sie und tritt trotzig aus dem Haus.
Als wir auf Mr Saulbrooks Grundstück zugehen, sehen wir, dass die ganze Gruppe an dem langen Bierzelttisch sitzt. Dolly verteilt weiterhin Essen auf die Teller. Juan sieht als Erster, dass Selma und ich die Straße hinunterkommen. Er steht auf und klatscht aufmunternd in die Hände wie bei einem Mannschaftsmitglied, das gestürzt und dann wieder auf die Beine gekommen ist. Daraufhin stehen auch die anderen Arbeiter, Gogo eingeschlossen, auf und fangen an zu klatschen. Selma sieht mich an und lächelt.
»Ach, kommt schon, Jungs, ist doch nur ein verletzter Knöchel«, ruft sie kokett.
»Hier, Selma«, ruft Gogo, als das Klatschen verebbt, schiebt seinen Teller zur Seite und nimmt seinen Stuhl. »Setzen Sie sich.«
»Ja, Sel«, sagt Dolly und eilt zu ihr. »Gut, dass du gekommen bist. Ich stell dir einen schönen Teller zusammen.«
»Ich rede immer noch nicht mit dir, Ma«, wehrt Selma ab.
»Ach was, jetzt muss es auch mal gut sein«, sagt Dolly in einem Ton, als hätte sie ein kleines Kind vor sich. »Ich habe für heute Abend ein Bridge-Turnier geplant. Maurilio und Raul kommen uns besuchen. Wusstest du, dass sie Brüder sind?«
»Nein, das wusste ich nicht«, antwortet Selma.
»Doch, Mrs Burns, Brüder«, erklärt Maurilio. »Aber ich spiele mit dieser Mrs Burns«, fügt er hinzu und zeigt auf Dolly. »Mein Bruder Raul hier kann nicht spielen.«
»Aber ich habe ›Trumpf‹ gesagt,
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