Träum ich?: Roman (German Edition)
ihres einen Beins steckt in einem Gips.
»Zumindest kein Bruch«, sagt Gogo und steht auf.
»Der Arzt sagt, ich müsse dieses verdammte Ding acht Wochen tragen. Wie soll ich das aushalten?«, fragt sie.
»Wir haben ihr gerade noch ein Schmerzmittel verabreicht«, informiert uns die Schwester, die sie geschoben hat. »Die Wirkung setzt in etwa zehn Minuten ein. Dann könnte sie sich etwas seltsam verhalten.«
»Das wäre nichts Neues«, erwidert Gogo lächelnd. »Wie fühlen Sie sich, Selma?«
»In diesem Ding wie eine Behinderte«, antwortet sie. »Lass uns verschwinden, Lily.«
»Danke«, sage ich zu der Schwester, als sie Selma aus dem Krankenhaus schiebt.
Seit wir Selma in den Wagen gehievt und den Krankenhausparkplatz verlassen haben, herrscht Schweigen zwischen Gogo und mir. Allerdings muss ich ihn immer wieder verstohlen ansehen, weil mir sein Gesichtsausdruck aufgefallen ist. Gogo sitzt gedankenverloren auf dem Beifahrersitz und wirkt gequält. Ein Teil von mir würde ihn am liebsten bitten, das alles zu vergessen. Ein anderer aber will ihn noch dringender überzeugen.
»Ich muss meine Frau anrufen und ihr sagen, dass ich auf dem Weg bin. Könntest du wohl mal kurz still sein?«
»Klar«, sage ich.
Er nimmt sein Handy und wählt. Ich höre erst das Rufzeichen und dann Rhondas Stimme.
»Hi. Eine der Kundinnen hatte einen kleinen Unfall. Ich musste sie ins Krankenhaus bringen.«
»Einen kleinen Unfall?«, ruft Selma vom Rücksitz.
»Was war das?«, fragt Rhonda.
»Das ist die Kundin. Sie sitzt hinten im Wagen …«
»In wessen Wagen?«
»Im Wagen der anderen Kundin.«
»Ist das diese Frau?«
»Ja.«
»Lily, du fährst einfach wunderbar. Fliegen wir?«, murmelt Selma vom Rücksitz.
»Nein, Ma«, flüstere ich, und prompt fahren wir durch ein Schlagloch.
»Turbulenzen«, lacht Selma. »Ich liebe Turbulenzen.«
»Nein«, sagt Gogo ins Handy. »Ich bin nicht in einem Flugzeug. Die Kundin steht unter dem Einfluss eines Schmerz mittels.«
»Paris«, stößt Selma hervor. »Da habt ihr euch verlobt. Sehr romantisch, direkt auf dem Eiffelturm. Gogo, wie bist du nur darauf gekommen, Lily auf dem Eiffelturm den Antrag zu machen? Das ist ja so romantisch. Fliegen wir nach Paris?«, erkundigt sie sich.
»Ich bin auf dem Weg nach Hause, wir müssen die Kundin nur noch heimbringen … ja, ich komme gleich.«
»Ma«, flüstere ich, »könntest du bitte leise sein?«
»Gogo, du bist ein wunderbarer Schwiegersohn«, murmelt sie. »Auch wenn du’s nicht weißt.«
»Sie ist benommen. Wegen des Schmerzmittels«, wiederholt Gogo. »Ich bin in zwanzig Minuten zu Hause. Die Frau ist schon ohne Schmerzmittel komisch. Zwanzig Minuten, dann bin ich da, versprochen.«
Er beendet das Gespräch.
»Tut mir leid.«
»Es war meine Schuld, ich hätte sie nicht vom Wagen aus an rufen sollen. Ich wollte nur nicht, dass sie sich Sorgen macht.«
»Wenn wir in Paris sind, will ich sofort zum Eiffelturm«, verkündet Selma.
»Ma!«, rufe ich. »Würdest du bitte den Mund halten und einfach schlafen?«
»Ist gut, Lily«, seufzt sie.
Gogo wirft einen Blick zum Rücksitz.
»Sie ist hinüber.«
»Endlich«, sage ich und seufze.
»Wovon hat sie geredet?«
»Von der Verlobung auf dem Eiffelturm.«
»Wer hat sich verlobt?«
»Wer?«, rufe ich. »Du und ich.«
»Das reicht«, sagt Gogo. »Für heute hab ich genug. Ich will jetzt nichts mehr davon hören.«
»Tut mir leid.«
»Nein, mir tut es leid, dass ich diesen Auftrag angenommen habe. Es war verrückt, mir einzubilden, ich könnte das schaffen. Ich weiß nicht mal, was mich zu Hause erwartet.«
»Tut mir leid, Gogo, ehrlich.«
»Ach … vergiss es einfach«, sagt er.
Den ganzen Weg zu Selmas und Dollys Haus sagen wir kein Wort mehr. Als wir dort vorfahren, reißt Dolly die Eingangstür auf und kommt heraus.
»Wie geht es ihr?«, fragt sie Gogo.
»Fissuren an drei Stellen«, antwortet er und öffnet die rückwärtige Tür.
»Zumindest kein Bruch«, seufzt Dolly. »Gott sei Dank.«
»Selma?«, sagt Gogo zu meiner Mutter. »Darf ich Ihren Arm um meine Schultern legen, damit ich Sie zum Haus tragen kann?«
»Er ist ein wundervoller Schwiegersohn«, sagt Selma, die aufwacht und mich anlächelt.
»Ganz genau«, bestätigt Gogo und hievt sie aus dem Wagen. »Gehen wir ins Haus, dann können Sie schlafen.«
»Und morgen fliegen wir nach Paris«, sagt sie strahlend.
»Genau, Ma«, antworte ich.
»Paris?«, fragt Dolly.
»Schmerzmittel«, erkläre ich
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