Träum ich?: Roman (German Edition)
Stimmt’s nicht, Brad?«
»Jedenfalls ist er nicht mehr der Alte«, seufzt Brad mit einem Anflug von Sarkasmus.
»Hast du gehört, wie viel er trainiert? Ich meine, er stemmt schon hundertachtzig Kilo«, prahlt Tank. »Bald hat er dich eingeholt.« Tank lacht, aber Brad verzieht keine Miene.
Jeder einzelne Nachbar ist zu Selma gegangen und hat sich begeistert für das wunderbare Geschenk bedankt. Man könnte meinen, sie hätte all ihre Hypotheken übernommen. Dabei sind nur ein paar neue Fallrohre der Anlass für diese Feier. All die Nachbarn, die sich sonst nur flüchtig grüßen oder sich höchstens um Blumen und Post kümmern, wenn man im Urlaub ist, feiern jetzt auf der Straße und tanzen miteinander.
Gogo aber ist noch nicht dabei, weil er mit Carter im Fitnessstudio trainiert. Selma meint, die beiden kämen ein bisschen später. Sie selbst ist gerade erst eingetroffen, weil sie Gogo beim Training zugesehen hat.
Es ist unglaublich, was drei Wochen Training mit Gewichten in Kombination mit einer täglichen Dosis von Dollys massiv proteinhaltigen Speisen bewirken können. Nach dieser kurzen Zeit sieht Gogo langsam nicht nur so aus wie der Mann, den ich kannte, sondern benimmt sich auch so.
»Wann kommt er denn endlich?«, fragt Rose, als ein Song endet und sie zu ihrem Platz neben mir zurückkommt.
»Wahrscheinlich jede Minute.«
»Ich muss dir sagen, dass sogar seine Stimme am Telefon ganz anders klingt als früher. Jedes Mal wenn ich mit ihm über die Pläne für unsere neuen Fallrohre spreche, wirkt er optimistischer und selbstsicherer.«
»Weißt du«, gestehe ich ihr, »es ist schon komisch. Er hat sich angewöhnt, mich jeden Abend zu Selmas und Dollys Haus zu begleiten, damit er Selma abholen und mit ihr zum Training ins Fitnessstudio gehen kann. Es ist nur ein kurzer Spaziergang, ein paar Häuser weit, aber manchmal vergesse ich tatsächlich, was passiert ist, weil er mit mir spricht oder mich ansieht wie früher. Manchmal muss ich mich geradezu zwingen, nicht seine Hand zu nehmen oder den Arm um ihn zu legen. Für eine Sekunde vergesse ich einfach, dass es den Fluch gibt und er mit einer anderen verheiratet ist.«
»Und, hast du?«, fragt Rose.
»Was denn?«
»Hast du ihn schon mal geküsst?«
»Bist du verrückt? Er ist doch verheiratet.«
»Du lässt immer noch zu, dass er seiner Frau treu ist? … Ich meine: seiner anderen Frau?«
»Hältst du mich für ein Flittchen? Und was soll ein Kuss schon bewirken? Das Wichtigste ist doch, mich nicht von meinen Gefühlen überwältigen zu lassen. Wie du schon sag test: Dies ist eine Reha-Maßnahme, da sollte man dem Patien ten jeglichen Schock ersparen.«
»So habe ich das aber nicht gesagt. Was ist, wenn er selbst die Initiative ergreift? Wenn er sich dir bei einem eurer Spaziergänge plötzlich nähert und dir einen Kuss gibt?«
»Dann würde ich ihn abwehren!«, rufe ich aus. »Schließlich will ich den Fluch rückgängig machen.«
Rose sieht mich bewundernd an. »Du bist die stärkste Frau, die ich je kennengelernt habe.«
»Nein, eigentlich hab ich nur mehr Glück gehabt als andere. Die meisten Frauen, die Pech mit Männern haben, denken nur, sie wären verflucht. Ich aber weiß , dass iches bin.«
»Tja, wenn es etwas Positives an der ganzen Sache gibt, dann wohl das.«
»Ja, ja«, knurre ich, »wirklich positiv.«
»Jetzt sieh dir diese beiden jungen Damen an, Selma«, ruft die Cha-Cha-Cha tanzende Dolly. »Zwei Mädchen mit all der Energie ihrer jungen Körper hängen da schlaff wie zwei Hähnchen auf dem Grill …«
Wir schauen zu Selma, die ihre Mutter entnervt ansieht.
»Oder wie zwei Faultiere am Baum. Tut mir leid, Selma, mein Fehler.«
»Ist schon gut, Ma«, erwidert Selma, hüpft zu uns herüber und nimmt neben uns Platz. »Und, was habt ihr beide zu bereden?«
»Ach, ich hab nur erzählt, wie Gogo sich in den letzten Wochen verändert hat.«
»Dieser Junge«, seufzt Selma, »ist mir wirklich ans Herz gewachsen.«
»Gogo ist der Größte«, schwärmt Dolly. »So freundlich und hilfsbereit.«
»Wenn man vom Teufel spricht … da kommt er!«, verkündet Rose, als Gogos Wagen vorfährt.
Wenn dies ein Film wäre, würden wir Gogo jetzt aus dem Wagen steigen sehen. Zuerst würde man sehen, wie er uns aus dem Wagen lächelnd zuwinkt. Wir würden zurückwinken, ganz normal, es ist ja nur Gogo.
Aber dann steigt er aus dem Wagen, die Kamera schwenkt auf seinen Körper und plötzlich läuft alles in Zeitlupe ab: Er trägt
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