Träum weiter, Liebling
»Chip, ich möchte, dass du in die Küche gehst und deiner Mutter ein großes Glas Wasser holst. Sie hat einen Riesendurst.«
Das Kind betrachtete ihn störrisch.
»Bitte, tu was er sagt, Edward. Ich brauche wirklich einen Schluck Wasser.«
Der Junge kletterte zögernd vom Bett herunter, wobei er Gabe einen bitterbösen Blick zuwarf, der ewige Verdammnis versprach, falls er seiner Mutter etwas antat.
Kaum, dass er aus der Tür war, sprangen Gabe und Rachel aus dem Bett und suchten panisch nach ihren Anziehsachen. Gabe stieg in seine Jeans, und Rachel schnappte sich sein T-Shirt und zog es über den Kopf. Dann suchte sie am Boden nach ihrem Höschen. Als sie es nicht finden konnte, zog sie statt dessen seine Boxershorts an. Das Ganze hätte eigentlich komisch sein sollen, aber alles, woran sie denken konnten, war, angezogen zu sein, bevor der Junge wieder auftauchte.
Er zog sich den Reißverschluss hoch. »Ich dachte, du hättest die Tür zugesperrt.«
»Nein, ich dachte, du hättest.«
Der Junge tauchte in Rekordzeit wieder auf, wobei er so schnell rannte, dass Wasser aus dem großen blauen Bugs-Bunny-Becher schwappte.
Als Rachel vortrat, um ihn ihm aus der Hand zu nehmen, stolperte sie über etwas. Gabe blickte nach unten und sah Stellaluna auf dem Boden liegen. Er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was das Buch hier zu suchen hatte. Damit hatte ihm Edward also auf den Kopf geschlagen.
Er war mit einem Buch attackiert worden.
17
Rachel machte ein großes Theater aus dem Trinken. Als sie fertig war, legte sie die Hand zärtlich auf Edwards Kopf. »Komm, ich bring dich wieder ins Bett.«
Gabe trat vor. Das hier musste geklärt werden, bevor sie mit ihm verschwand. Er betrachtete den kleinen Jungen und musste dabei an die Wut denken, mit der seine kleinen Fäuste auf ihn eingeschlagen hatten. Einen flüchtigen Moment lang sah er das Kind als das, was es war, und nicht als Schatten eines anderen.
»Chip, ich mag deine Mutter sehr, und ich würde ihr nie weh tun, vergiss das nicht. Falls du also siehst, dass wir uns streicheln oder umarmen, dann weißt du, dass wir das tun, weil wir es mögen. Es ist also nichts Falsches daran.«
Edward blickte seine Mutter ungläubig an. »Wieso willst du, dass er dich umarmt?«
»Ich weiß, es ist schwer für dich, das zu verstehen, besonders da du und Gabe nicht gut miteinander auskommt, aber ich bin gern mit ihm zusammen.«
Der Junge betrachtete sie rebellisch. »Wenn du jemanden streicheln musst, dann streichel mich!«
Sie lächelte. »Ich streichle dich unheimlich gern. Aber ich bin eine erwachsene Frau, Edward, und manchmal möchte ich eben einen erwachsenen Mann streicheln.»
»Dann streichel doch Pastor Ethan.«
Rachel hatte den Nerv zu lachen. »Das tue ich nicht, Bärchen. Pastor Ethan ist dein Freund und Gabe ist meiner.»
»Sie sind nich‘ Brüder, egal, was er sagt.»
»Warum fragst du Pastor Ethan nicht einfach, wenn du ihn morgen im Kindergarten siehst?«
Gabe bemerkte, dass seine Boxershorts jeden Moment von Rachels Hüften zu rutschen drohten. »Komm, Chip, lass uns noch mal Tweety füttern, bevor du wieder ins Bett gehst.«
Aber Edward war zu schlau, um sich so einfach kaufen zu lassen. »Woher weiß ich, dass du nich‘ wieder anfängst, sie zu küssen?«
»Ich werd sie wieder küssen«, entgegnete er mit fester Stimme, »aber nur, wenn deine Mom sagt, es ist okay.«
»Es is nich‘ okay!« Edward stapfte zur Tür. »Und ich werd‘s Pastor Ethan erzählen!«
»Na toll«, brummte Gabe. »Das hat uns noch gefehlt.«
Pastor Ethan hatte jedoch selbst Probleme. Es war elf Uhr vormittags, und nicht mal eine halbe Tasse Kaffee befand sich noch in der Kanne, die Kristy und er sich teilten.
Es war ja nicht so, dass er nicht wusste, wie man Kaffee machte. Er kochte ihn sich ja jeden Morgen zu Hause. Aber das hier war nicht zu Hause, das war sein Büro, und in den letzten acht Jahren hatte Kristy immer für eine volle Kanne gesorgt.
Er ergriff zornig die Glaskanne und stürmte an ihrem Schreibtisch vorbei in die kleine Küche, wo er sich das neue Polohemd prompt mit Wasser vollspritzte. Er stürmte ins Büro zurück, warf den alten, vollen Kaffeefilter in den Mülleimer und löffelte neuen Kaffee in die Maschine, ohne darauf zu achten, wieviel er nahm. Dann goss er das Wasser in die Maschine und drückte erzürnt auf den Einschaltknopf. Da! Das hatte sie davon!
Unglücklicherweise war sie zu sehr mit Tippen beschäftigt. Und auch mit Summen.
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