Träum weiter, Liebling
»Ethan!«
Der Mann an der Bar zuckte die Schultern. »Hab kein ›Verkauft‹-Schild an ihr gesehen.«
»Wahrscheinlich, weil du nicht lesen kannst.«
Kristys Augen weiteten sich ängstlich. Ethan, der passionierte Pazifist, war anscheinend auf eine Rauferei mit diesem Muskelprotz aus, der mindestens fünfzig Pfund mehr wog als er. Und diese fünfzig Pfund waren gewiss kein Fett.
Der Mann an der Bar glitt langsam von seinem Hocker herunter, und sie hätte schwören können, einen erwartungsfreudigen Schimmer in Ethans blauen Augen erkennen zu können. Sie überlegte fieberhaft. Was würde Rachel tun?
Sie schluckte und versuchte den Muskelprotz mit hocherhobener Hand zur Räson zu bringen. »Bitte nehmen Sie das nicht so ernst. Er ist nicht mehr derselbe, seit er sein Priesteramt aufgegeben hat.« Was nicht unbedingt gelogen ist, dachte sie.
Aber der Stallone-Verschnitt sah nicht so aus, als würde er ihr das abkaufen. »Er sieht nich‘ aus wie ‘n Priester.«
»Das liegt daran, dass er‘s nicht mehr ist.« Sie holte tief Atem. »Er - er ist sehr eifersüchtig, wenn‘s um mich geht. Ich bin... äh... Schwester Kristina, seine... Schwester.«
»Sie sind ‘ne Nonne?« Sein Blick glitt zum tiefen Ausschnitt ihres knallengen Kleids.
»Ja, das bin ich. Und Gott segne Sie.«
»Sie seh‘ nich‘ aus wie ‘ne Nonne.«
»Mein Orden schreibt keine Uniformen vor.«
»Sollten Sie nich‘ zumindest ‘n Kreuz oder so was tragen?«
Sie zog an dem Goldkettchen um ihren Hals, und das kleine goldene Kreuz, das zwischen ihren Brüsten hing, kam zum Vorschein.
»Bitte um Entschuldigung, Schwester.« Er warf noch einen finsteren Blick auf Ethan und setzte sich wieder auf seinen Barhocker.
Ethan musterte sie verärgert. »Was hast du da gemacht?«
»Dich aus einer Rauferei rausgehalten!«
»Vielleicht wollte ich das gar nicht.«
»Heilbutt!« rief sie dem Bartender zu. »Wir nehmen den frittierten Heilbutt. Und Gott segne auch Sie«, fügte sie verspätet hinzu.
Ethan verdrehte die Augen, ließ die Angelegenheit zu ihrer Erleichterung damit jedoch auf sich beruhen. Er widmete sich seinem Scotch, und als schließlich eine stark geschminkte, dunkelhaarige Kellnerin in knappen Jeansshorts und einem Garth-Brooks-T-Shirt mit dem Essen auftauchte, hatte er ihn ausgetrunken.
»Noch einen, bitte.«
»Ethan, du musst noch fahren.«
»Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten, Schwester Bernadine.«
Die Kellnerin warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Ich hab Sie vorher gehört. Ich dachte, Ihr Name wäre Schwester Kristina.«
»Äh... Bernadine hieß ich, bevor ich in den Orden eintrat. Jetzt heiße ich Schwester Kristina.«
Ethan schnaubte.
Die Kellnerin wandte ihren Blick nun ihm zu. Ethan war umwerfend attraktiv wie immer, und sie war eindeutig interessiert. »Also wie isses, wenn man kein Priester mehr ist?«
Er wies mit dem Daumen auf Kristy. »Da müssen Sie sie fragen.«
»Er... Nun es ist nicht leicht für ihn. Nichts ist leicht für Menschen, die ihrer wahren Berufung den Rücken kehren.« Sie schraubte die Ketchupflasche auf und wischte den verkrusteten Rand mit einer Papierserviette ab, bevor sie sie ihm reichte. »Man fühlt sich leer. Hohl. Und man versucht, diese Leere mit Schnaps zu füllen, und eh man sich‘s versieht, ist man ein einsamer Alkoholiker und sieht wie ein Wrack aus.«
Die Kellnerin berührte seine Schulter mit einem langen blaulackierten Fingernagel. »Ich glaube nicht, dass Sie sich darum Sorgen machen müssen, Pater.«
Er lächelte breit. »Danke.«
»Jederzeit.«
Als die Kellnerin davonwackelte, genoss Ethan ganz offen den Anblick ihres Hinterteils. Sie kehrte mit seinem Scotch zurück und ging mit einem verführerischen Lächeln.
»Iss, bevor alles kalt wird«, fauchte ihn Kristy an.
Er nippte an seinem Scotch. »Was kümmert‘s dich, ob mein Essen kalt wird oder nicht?«
»Nicht die Bohne.«
»Du lügst.« Er starrte sie so eindringlich an, dass sie sich am liebsten gewunden hätte. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du bist noch immer verliebt in mich.«
»Und ich glaube, du bist allmählich betrunken.« Sie nahm all ihre Kraft zusammen, um nicht zu erröten. »Du hast Alkohol nie gut vertragen.«
»Und wenn ich nun betrunken wäre?«
Sie wurde zornig. »Du hast deine Kündigung noch nicht eingereicht, Ethan Bonner. Du bist noch immer ein geweihter Priester.«
»Nicht in meinem Herzen«, entgegnete er zornig. »In meinem Herzen hab ich mein Amt
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