Träum weiter, Liebling
unverrückbare Liebe an ein für ihn unerträgliches Leben gefesselt.
Er stieß die Pistole wieder in die Schublade und zog statt dessen einen Bilderrahmen mit einem Foto heraus, das er ebenfalls dort aufbewahrte. Cherry lächelte ihn von dem Foto an, seine wunderschöne Frau, die ihn geliebt und die mit ihm gelacht hatte und die alles gewesen war, was ein Mann sich nur wünschen konnte. Und Jamie.
Gabe streichelte den Rahmen mit seinem Daumen, und sein Herz blutete. Nein, es war kein Blut - das hatte er alles schon vor langer Zeit vergossen sondern eine dicke, eitrige Flüssigkeit, die durch seine Adern rann, heiß und brennend vor Schmerz und unerträglichem Kummer.
Mein Sohn.
Alle hatten behauptet, nach dem ersten Jahr würde es leichter werden, doch sie hatten gelogen. Es war nun schon mehr als zwei Jahre her, seit seine Frau und sein Sohn von einem Betrunkenen, der ein Rotlicht missachtet hatte, überfahren worden waren, und der Schmerz wurde immer schlimmer statt besser.
Den Großteil dieser zwei Jahre hatte er in Mexiko verbracht, wo er sich von Tequilas und Qualudes ernährt hatte. Dann, vor vier Monaten, waren seine Brüder aufgetaucht, um ihn nach Hause zu holen. Er hatte Ethan wüst beschimpft und Cal einen Schwinger versetzt, aber es hatte nichts geholfen. Sie hatten ihn trotzdem nach Hause gebracht, und als sie ihn ausgenüchtert hatten, da war er vollkommen leer gewesen. Keine Gefühle mehr. Nichts.
Bis gestern.
Wieder sah er Rachels dürren, nackten Körper vor sich. Haut und Knochen und pure Verzweiflung, hatte sie sich ihm im Austausch für einen Job angeboten. Und er war steif geworden. Er konnte es noch immer nicht fassen.
Nur eine andere Frau hatte er nackt gesehen, seit Cherry umgekommen war, eine mexikanische Hure mit einer üppigen Figur und einem süßen Lächeln. Er hatte gedacht, er könne einen kleinen Teil seines abgrundtiefen Kummers in ihr vergraben, aber es hatte nicht funktioniert. Zu viele Pillen, zuviel Alkohol und zuviel Verzweiflung. Er hatte sie wieder fortgeschickt, ohne sie anzufassen, und sich anschließend prompt bis zur Bewusstlosigkeit besoffen.
Seitdem hatte er nicht einmal mehr an sie gedacht. Bis gestern. Eine erfahrene, mexikanische Hure hatte ihn nicht erregen können, aber Rachel Stone mit ihrem dürren, ausgezehrten Körper und den trotzigen Augen war es irgendwie gelungen, die dicke Mauer zu durchdringen, die er um sich herum errichtet hatte.
Er musste daran denken, wie sich Cherry immer an ihn gekuschelt hatte, nachdem sie einander geliebt hatten, wie sie mit den Haaren auf seiner Brust gespielt hatte. Du bist so sanft, Gabe, der sanfteste Mann, den ich kenne.
Jetzt war er kein sanfter Mann mehr. Die Sanftheit war ihm ausgebrannt worden. Er legte das Bild in die Schublade zurück und schritt nackt zum Fenster, wo er in die Dunkelheit hinausstarrte.
Rachel Stone wusste es nicht, aber gefeuert zu werden, war das beste, was ihr passieren konnte.
5
»Das können Sie nicht tun!« rief Rachel. »Wir haben keinem was getan.«
Der Polizist, auf dessen Namensschild Armstrong stand, wandte sich, ohne sie zu beachten, an den Fahrer des Abschleppwagens. »Nun mach schon, Dealy. Schaff den Schrotthaufen von hier weg.«
Fassungslos sah Rachel zu, wie der Abschleppwagen sich rückwärts vor ihrem Wagen plazierte. Fast vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit Bonner sie gefeuert hate. Sie war so ausgelaugt und erschöpft gewesen, dass sie einfach nur bei ihrem Auto ausgeharrt hatte. Vor einer halben Stunde war dann dieser Polizist vorbeigefahren und hatte ihr Auto entdeckt, als sich die tiefstehende Nachmittagssonne in der Windschutzscheibe spiegelte.
Kaum hatte er sie gesehen, da wusste sie, dass sie in Schwierigkeiten war. Sein Blick war verächtlich über sie hinweggelitten, und sein Ton war eiskalt, als er sagte: »Carol Dennis hat mir erzählt, dass Sie wieder in der Stadt sind. Nicht sehr klug von Ihnen, Mrs. Snopes.«
Sie hatte ihm gesagt, dass ihr Name Stone war - sie hatte nach Dwaynes Tod wieder ihren Mädchennamen angenommen doch obwohl sie ihm ihren Führerschein mit der Eintragung zeigte, weigerte er sich, sie mit einem anderen Namen als Snopes anzureden. Er hatte ihr befohlen, den Impala wegzufahren, und als sie ihm erzählte, dass der Motor kaputt war, hatte er den Abschleppwagen angefordert.
Als sie sah, wie Dealy sich aus dem Führerhaus seines Trucks quetschte und auf die hintere Stoßstange zuwatschelte, um den Abschlepphaken einzuhängen,
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