Traeum weiter, Mann
der überall durchkommt«, lobt ihn Steff mit leicht ironischem Unterton.
»Es wäre nicht meine schlechteste Eigenschaft«, erklärt Gerald.
»Die wäre?«
»Top secret«, flüstert Gerald und kommt sich dabei blöde vor, aber was soll man auch darauf antworten? Aus Verlegenheit stellt er das Radio an, es läuft gerade der Wetterbericht mit guten Aussichten für die nächsten Tage.
»Was magst du für Musik?«, erkundigt sich Steff.
Gerald weiß, wenn er jetzt das Falsche antwortet, könnte sich schnell eine unsichtbare Mauer aufbauen.
»Ich bin immer neugierig auf Neues«, behauptet er vage.
Sein Musikgeschmack ist vollkommen durchschnittlich, er hört, was gerade im Radio läuft.
»Und was fandest du jemals gut?«
»Fettes Brot, Elvis, Coldplay, quer durch den Garten. Und du?«
»Am liebsten Tango, argentinischen Tango, und afrikanische Musik.«
»Ah ja.«
Beides kennt er gar nicht, er nimmt sich vor, es später auf seinem Laptop zu googeln. Steff erzählt noch mehr von Australien, von den schlimmsten Kellnerinnenjobs mitten unter Minenarbeitern und von einer Krokodilfarm. Nach ungefähr einer Viertelstunde passieren sie die Straße in Geralds Dorf.
»Willst du mal sehen, warum ich in der Pension wohnen muss?«
»Das angekokelte Geisterhaus?«
»Hast du Lust?«
Steff schaut auf die Uhr.
»Wenn es nicht zu lange dauert.«
»Wir müssen nicht, ich kann dich auch direkt nach Büthow fahren.«
»Nein, ich will es sehen.«
Als Gerald mit Steff auf dem Beifahrersitz durch sein Dorf rollt, in dem er aufgewachsen ist, signalisiert ihm ein tiefes Gefühl, dass Steff hierher passt, als sei es der Platz, den das Schicksal für sie vorgesehen hat. Vom Dorfplatz mit dem Gebäude der freiwilligen Feuerwehr biegt er ab in eine kleine Sackgasse, an deren Ende sein Haus steht. Steff reißt erstaunt die Augen auf, als Gerald den Wagen stoppt. »Hier wohnst du?«
Das Grundstück ist ein Traum. Gerald hat das alte Bauernhaus mit dem Reetdach behutsam renoviert, die alten, roten Klinker mit dem Fachwerk sind im Original belassen, nur die Sprossenfenster mit Dreifachverglasung sind neu. Um das Haus herum befindet sich ein großer Rasen mit zwei Apfelbäumen, vor der Küche beginnt ein großer Blumen- und Kräutergarten, der jetzt allerdings längst verblüht ist. Hinter dem Haus geht ein Hang hinunter zu einem kleinen See, dahinter beginnt ein dichter, dunkler Fichtenwald. Doch leider besitzt das Idyll einige Brüche: Das abgebrannte Loch im Reetdach ist mit einer hässlichen, giftgrünen Plastikfolie abgedeckt, und im Kräutergarten stehen Baumaterialien auf riesigen Paletten herum, die mit durchsichtigen Kunststofffolien verschweißt sind.
»Wohnst du hier alleine?«, fragt Steff.
»Vorübergehend, ja.«
»Was heißt das?«
Bis du hier einziehst, denkt Gerald und sagt: »Man weiß es nie. Es ist unsinnig, zu viele Pläne zu machen.«
Er hofft, dass das einigermaßen schlau klingt und seine Single-Ödnis etwas kaschiert. Diese Sätze hat er aus einem Interview mit einem Popsänger geklaut, und er steht eigentlich nicht einmal dahinter, denn er ist ein leidenschaftlicher Planer.
Gerald überlässt Steff mit einer galanten Geste den Vortritt, als sie ins Haus gehen. Drinnen sieht es schlimm aus, der Fußboden ist aufgerissen und nur teilweise neu verlegt. Immerhin kann man noch erahnen, wie schön es hier mal war. Allein der neue Jacuzzi-Pool steht fix und fertig installiert mitten im Wohnzimmer, wie von einem anderen Planeten.
Den Pool findet sie richtig gut.
»Und dann sitzt du hier im Blubberwasser und schaust Fernsehen?«, erkundigt sie sich.
Gerald nickt. »Und dazu knistert der Kamin. Das ist viel schöner als im Badezimmer, finde ich.« Und in Gedanken fügt er hinzu: Und am schönsten wird es zusammen mit dir!
Steff staunt. Nur die verrußten Antilopenbilder mit den erdigen Naturfarben gefallen ihr aus irgendeinem Grund nicht.
»Die stammen von einem Maler aus dem Dorf. Hier gab es mal eine Künstlerkolonie.«
Gerald zückt das Handy, denn er fragt sich, wieso hier kein Handwerker zu sehen ist. Haben die nicht kapiert, wie eilig er es hat? Er brüllt mit barschem Ton Beschwerden ins Telefon, während Steff sich weiter umschaut. Als er fertig ist, baut sie sich dicht vor ihm auf.
»Also gut«, nölt sie in herrlich affektiertem Tonfall, der Gerald reichlich vertraut vorkommt, »ich nehme das Objekt – falls wir uns über den Preis einigen können. Die Renovierung müsste dann aber tipptopp
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