"Träume aus 1001 Nacht" 6
und gaben ihr immer wieder strategische Tipps. Mo gewann zu seinem Entzücken beide Spiele.
Dann schlug Bridget ein Spiel vor, das sie aus der Kinderbibliothek kannte. Inzwischen waren die drei auf das Sofa umgezogen. „Ich beschreibe eine Situation, und ihr müsst sagen, was ihr tun würdet.“
„Okay“, sagte Mo und kuschelte sich an sie. Rashid saß auf der anderen Seite neben seinem Sohn. Sie saßen so nahe beieinander, dass er fast Bridgets Haar berühren konnte. Er erinnerte sich, wie weich es sich angefühlt hatte.
„Stell dir vor, ein riesiger Drachen kommt dir auf der Straße entgegen und speit Feuer. Was würdest du tun?“
„Das ist doch einfach“, rief Mo. „Ich würde ihm ein Erdnussbuttersandwich schenken. Die mag jeder, und er wäre so glücklich, dass er mir nichts tun würde.“
Rashid sah seinen Sohn verwundert an. „Erdnussbuttersandwich? Woher kennst du das denn?“
„Bridget sagt, jeder mag Erdnussbuttersandwiches, und sie ist immer glücklich, wenn sie eins essen kann“, erklärte Mo.
Bridget lächelte. „Seelennahrung sozusagen.“
„Soso, und was ist für Sie noch Seelennahrung?“, wollte Rashid wissen.
„Schokolade in jeder Form. Jetzt bist du dran, Mo, du musst deinem Vater eine Situation schildern.“
„Okay.“ Der Kleine dachte einen Moment lang konzentriert nach. Rashid beobachtete ihn und sah dann Bridget an, die sich das Schmunzeln ebenso verkneifen musste wie er selbst. Das Verständnis in ihrem Blick berührte ihn zutiefst. Zum ersten Mal seit Fatimas Tod fühlte er sich jemandem verbunden.
Plötzlich kam ihm die Erkenntnis, dass Bridget Mo liebte. Sie hatte ein offenes, ehrliches Wesen, kein Wunder, dass der mutterlose Junge begeistert von ihr war.
„Was würdest du tun, wenn wir am Strand wären und eine Riesenwelle uns alle verschlingen wollte?“, fragte Mo ernst.
„Ich würde dich schnappen und mit dir durch die Welle tauchen, bis wir auf der anderen Seite wären, wo es ruhig und sicher ist“, antwortete Rashid prompt.
„Ich kann schwimmen und sehr lange die Luft anhalten“, erklärte Mo stolz.
„Dann schaffen wir den Tauchgang zur anderen Seite sicherlich. Willst du Bridget an meiner Stelle fragen?“
„Okay. Stell dir vor, Papa hätte Tausende Gäste eingeladen, ohne es dir zu sagen. Was würdest du tun?“
„Kommt so etwas vor?“
Rashid zuckte die Achseln. „Normalerweise gebe ich den Bediensteten Bescheid.“
Bridget sah Mo an. „Ich würde einen riesigen Topf Spaghetti kochen, einen Salat und Unmengen Knoblauchbrot machen, und wenn alle satt wären, würde ich deinen Vater ausschimpfen, dass er mir nicht früher Bescheid gesagt hat.“
Mo kicherte. „Niemand schimpft Papa aus.“
„Vielleicht braucht er das von Zeit zu Zeit“, gab sie zurück und grinste Rashid an.
„Vielleicht bin ich aber auch einfach perfekt, so wie ich bin“, konterte er mit einem Augenzwinkern.
„Oder verwöhnt.“
Du könntest mich verwöhnen, dachte Rashid. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen waren zart gerötet, und ihr Lachen war ansteckend. Am liebsten würde er sie küssen, bis ihnen die Luft ausging.
Bevor er sich in dieser Fantasie verlieren konnte, riss er seinen Blick von ihr los und sah Mo an. „Gilt die Antwort?“
„Würde sie nicht einfach dem Koch sagen, dass er kochen soll?“
„Nicht wenn ich hier leben würde. Ich koche gerne“, erklärte Bridget.
„Wirklich?“ Mo machte große Augen. „Alles allein?“
„Natürlich. Und ich spüle auch selbst und räume auf und mache die Wäsche. Nicht alle Menschen haben Bedienstete.“
Mo sah seinen Vater an, und Rashid nickte bestätigend. Der Kleine war so rührend vertrauensselig. Würde er später zynisch und misstrauisch werden? Wie würde das Leben seinen Sohn formen? Rashid wünschte so sehr, er könnte immer so glücklich bleiben wie an diesem Nachmittag.
Zum ersten Mal spürte er die Last der Verantwortung auf seinen Schultern. Zum ersten Mal vermisste er Fatima.
Bridget sah auf die Uhr. „Ich bin spät dran. Salina wartet sicher schon auf mich.“
Rashid nickte. „Mo, möchtest du mit mir Asheeras Fohlen anschauen?“
„Au ja!“ Der Junge sprang auf und rannte zur Tür.
„Lass dir von Alaya eine Jacke geben, es regnet immer noch.“
Rashid sah Bridget an. „Vielen Dank, Bridget Rossi, dass Sie meinen Sohn so glücklich machen.“ Er nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. Als er die Handfläche küsste, nahm er den zarten Duft ihrer Haut wahr. Er
Weitere Kostenlose Bücher