"Träume aus 1001 Nacht" 6
Anforderungen an sie stellte. Seit Bridget denken konnte, war Francesca in Europa ein bekanntes Supermodel. Dennoch wünschte sie, ihre Cousine würde sie für ein paar Wochen in die Staaten begleiten, nur bis sie über die erste Zeit nach dem Tod ihres Vaters hinweggekommen wäre.
Müde strich sie sich mit den Fingern unter den Augen entlang. Während des Gottesdienstes hatte sie viel geweint, und nun hoffte sie, dass ihr Mascara so wasserfest war, wie in der Werbung behauptet wurde. Sie sah ohnehin schon durchschnittlich genug aus, da musste sie nicht auch noch durch schwarze Streifen verunstaltet werden.
Der Weg zu dem alten Friedhof war kurz. Bridget saß zwischen Francesca und Rashid und hörte zu, wie Francesca von ihren beruflichen Erfolgen erzählte. Ihr Leben war trotz der Anstrengungen so viel interessanter als das einer Bibliothekarin in San Francisco.
Bridget war sich Rashids Gegenwart so bewusst, dass es ihr schwerfiel, sich ganz auf Francescas Schilderung zu konzentrieren. Der Duft seines Aftershaves war frisch, nicht süßlich wie das vieler Männer. Sie sah auf seine Hände mit den langen Fingern und den perfekt manikürten Nägeln. Welche Arbeiten verrichtete ein Scheich? Wahrscheinlich keine, bei denen er Schwielen bekommen konnte. Soweit sie gesehen hatte, war er groß und schlank und hatte nicht ein Gramm zu viel am Körper. Bridget seufzte. Sie musste immer darauf achten, was sie aß, damit sie nicht sofort Rundungen an den falschen Stellen bekam. Sie wünschte, sie wäre so schlank wie Francesca.
Der Wagen war bei Weitem luxuriöser als der des Bestattungsunternehmens. Lebte Rashid in der Toskana? Stand ihm deshalb eine eigene Limousine zur Verfügung? Sein Reichtum zeigte sich nicht allein in seiner Kleidung. Man merkte ihm an, dass er es gewohnt war, zu bekommen, was er wünschte. Kein Wunder, als Scheich waren ihm wahrscheinlich alle Untertanen ergeben. Wie mochten er und Francesca sich kennengelernt haben?
„Leben Sie in Italien?“, fragte Bridget. Rashids Englisch war geradezu perfekt. Er hatte gar nicht erst versucht, Italienisch mit ihr zu sprechen, was sehr für ihn sprach. Bridgets Italienisch konnte im besten Fall als mäßig bezeichnet werden, und inmitten ihrer Verwandten väterlicherseits, die einfach drauflosplapperten, fühlte sie sich ziemlich unsicher. Die Geduld, die ihr Vater gehabt hatte, wenn sie gelegentlich Italienisch gesprochen hatten, fand sie unter ihren Tanten und Onkeln nicht. Und ihre Cousinen und Cousins – außer Francesca – lachten gutmütig über ihre Ausdrucksweisen.
Nicht, dass sie lange in Italien bleiben würde. Sobald ihre traurige Pflicht erfüllt wäre, würde sie heimkehren in die Einsamkeit, die sie zu Hause ohne ihren Vater erwartete.
Francesca lachte. „Nein. Im Gegensatz zu meiner Familie denkt nicht jeder, die Toskana sei der Nabel der Welt. Rashid lebt in Aboul Sari. Er ist der jüngste Sohn des herrschenden Scheichs. Heute hat er mich freundlicherweise hergeflogen, damit ich bei der Beerdigung dabei sein konnte. Ich habe die traurige Nachricht in Aboul Sari erhalten, wo wir Urlaub machten.“
„Oh, das wusste ich nicht. Ich dachte, du seist bei einem Shooting oder so.“ Bridget sah ihre Cousine an. Francesca wirkte nicht gereizt, weil sie ihren Urlaub hatte unterbrechen müssen. Sie fragte sich, ob Francesca auch gekommen wäre, wenn Bridget ihren Vater in San Francisco hätte beerdigen lassen, wie sie es sich gewünscht hätte.
„Ich habe mir ein paar Wochen freigenommen. Die Erholung brauche ich wirklich. Rashid hat ein paar Gäste aus England eingeladen – und mich natürlich. Wir verleben eine wunderbare Zeit.“
Bridget fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Vielleicht hätte sie doch lieber mit Tante Donatella und Antonio fahren sollen. So bald wie möglich würde sie Francesca ihrem Scheich überlassen und nach Hause zurückkehren, um dort ihr einsames Leben wieder aufzunehmen – ohne ihren Vater.
Die schlichte Beisetzung war kurz, aber anrührend. Als Bridget dem Grab den Rücken kehren wollte, fiel ihr Blick auf den Grabstein von Isabella Rossi, der ersten Frau ihres Vaters und Antonios Mutter. Ihr Vater hatte seinen Willen bekommen: Er wurde neben seiner Isabella bestattet. Nicht neben Bridgets Mutter, mit der er länger verheiratet gewesen war als mit Isabella. Aber er hatte darauf bestanden, und Bridget hatte seinen letzten Wunsch respektiert.
Arme Mom. Nicht einmal im Tod hatte er wirklich ihr
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