Traeume aus der Ferne
wahrscheinlich ein Dutzend Liebschaften.«
»Andrea!« Melanie wurde inzwischen richtig böse.
»Okay, okay.« Andrea hob beschwichtigend die Hände. »Sagen wir, sie hätte ein Dutzend Liebschaften haben können, wenn sie gewollt hätte.«
Melanie wagte es nicht mehr, Andrea ins Gesicht zu schauen. Tränen der Wut standen in ihren Augen, und sie fühlte sich plötzlich hundeelend.
»Schau dir zum Beispiel die Kleine da hinten an der Theke an«, fuhr Andrea gnadenlos fort. »Fast jedesmal, wenn wir hier sind, ist sie auch hier. Und seltsamerweise immer in unserer Nähe. Ich würde mein letztes Hemd verwetten, dass sie auch wegen Maja da ist. Mensch, Melanie, ich will doch nur nicht, dass du in dein Verderben läufst. Merkst du denn nicht, dass das Ganze keine Zukunft hat?«
»Na, da bin ich aber froh, dass du mir endlich die Augen geöffnet hast«, antwortete Melanie in gespielt zuckersüßem Tonfall. »Mit einer Freundin wie dir kann mir ja nichts mehr passieren, nicht wahr? Weißt du was? Ich pfeife auf deine klugen Ratschläge und deine ewige Besserwisserei. Vielleicht kannst du erst mal dein eigenes Leben in Ordnung bringen, bevor du dich wieder in meines einmischst.«
Mit diesen Worten packte sie ihre Tasche und stürmte dem Ausgang entgegen. Als sie an der Bar vorbeirauschen wollte, hielt die junge Frau sie auf, über die sie und Andrea gerade noch gesprochen hatten.
»Was ist?« fragte Melanie in ungeduldigem Ton und blickte dabei wütend auf die Hand, die ihr die Fremde auf den Arm gelegt hatte, um sie auf sich aufmerksam zu machen.
»Ich . . . ich wollte nur . . . hast du vielleicht . . . ähm . . .« Dann nahm die Fremde verlegen ihre Hand von Melanie.
Na, wenn die immer so schüchtern ist, brauche ich ja keine Angst davor haben, dass sie Maja anbaggern wird, schoss es Melanie durch den Kopf.
Melanie hob fragend die Augenbrauen und wartete immer noch darauf, dass die Frau nun endlich weitersprechen würde.
»Weißt du, wie spät es ist?« presste diese schließlich hervor.
»Frag meine liebe Freundin dahinten«, entgegnete Melanie und deutete dabei auf Andrea. »Diese Frau weiß nämlich alles, musst du wissen.« Dann drehte sie sich um und stürmte zur Tür hinaus.
Im Gegensatz zu ihr entging Andrea nicht, mit welch schmachtendem Blick die Fremde Melanie hinterherblickte.
Eigentlich hatte Andrea sich ja geschworen, kein Wort mehr mit Melanie zu wechseln, bis diese sich entschuldigt haben würde. Aber sie hatte soeben ihre Strategie geändert.
Melanie war überrascht, als Andrea sich bereits am nächsten Tag wieder bei ihr meldete.
»Hör mal, unser Streit von gestern tut mir leid. Ich weiß, ich sollte mich nicht in dein Liebesleben einmischen. Würdest du meine Entschuldigung annehmen, wenn ich dich ins Tabu einlade?« begann Andrea zu reden, kaum dass Melanie den Telefonhörer abgenommen und sich gemeldet hatte.
Begeistert und gar nicht mehr beleidigt – wer kann seiner besten Freundin schon lange böse sein? – stimmte Melanie zu, und so verabredeten sie sich für abends im Tabu . Es störte Melanie auch kein bisschen, dass Andrea noch eine Bekannte mitbringen wollte.
Als Melanie, wie üblich zwanzig Minuten zu früh, durch den Biergarten des Tabu in Richtung Eingang schlenderte, traute sie ihren Augen nicht, als sie sah, dass Andrea mit ihrer Bekannten schon am hintersten Tisch des Biergartens saß. Andrea hatte sie natürlich auch sofort entdeckt und winkte ihr fröhlich zu. Da ihre Bekannte Melanie nur ihren Rücken zeigte, konnte sie nicht einmal erkennen, wer es war.
Sie hatte wohl keine andere Chance, als sich ihrem Schicksal zu ergeben. Vielleicht hatte sie ja Glück, und Maja würde sich heute auch im Biergarten blicken lassen.
»Schön, dass du schon da bist, Melanie. Wir sind auch etwas zu früh.« Andrea deutete auf ihre Bekannte. »Das ist Marie. Ihr kennt euch ja schon vom Sehen, soviel ich weiß.«
Melanie wollte sich neben Andrea auf den Stuhl setzen, aber die machte keine Anstalten, ihre Tasche wegzunehmen. Also blieb Melanie nichts anderes übrig, als sich neben Marie niederzulassen.
»Ich wüsste nicht, woher wir uns kennen«, bemerkte sie stirnrunzelnd zu Marie.
»Ich habe dich schon öfter hier im Tabu angesprochen«, gestand Marie. »Aber du hattest nie sonderliches Interesse an mir. Gestern zum Beispiel wollte ich dich auf einen Drink einladen, aber du hast mich so böse angeguckt, dass mich mein Mut gleich wieder verlassen hat. Ich habe
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