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Traeume aus der Ferne

Traeume aus der Ferne

Titel: Traeume aus der Ferne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Liebert
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Uhrzeit ja auch noch nicht wach. Normal, was ist schon normal?
    Ich schenkte mir ein Glas Milch ein und kuschelte mich mit meiner Decke aufs Sofa. Beim Zappen durchs Programm wurde ich von einem Cartoon zur nächsten Comic-Serie geschickt. Ein Grund mehr, keine Kinder zu haben. Man müsste ihnen jeden Samstag klarmachen, dass man um diese Uhrzeit noch nicht vor den Fernseher darf. Und dabei darauf hoffen, dass sie nicht die Frage stellten, warum denn um diese Uhrzeit so viele Kindersendungen liefen.
    Ob Kathrin vielleicht doch Kinder hatte? Sie schaffte es immer wieder, sich in meine Gedanken zu stehlen. So sehr ich mich auch wehrte, sie war stets da. Wenn ich ehrlich war, dann wusste ich auch, dass ich die letzten zwei Wochen viel zu oft an sie hatte denken müssen. Ich hatte mir sogar schon überlegt, einen ihrer Anträge verschwinden zu lassen, damit ich einen Anlass hätte, sie anzurufen. Meine Vernunft hatte zwar gesiegt, aber dafür wurden meine Gedanken an sie mit jedem Tag intensiver. Dabei wusste ich so gut wie gar nichts von ihr. Theoretisch könnte ich heute Abend mit ihr und ihrem Mann und ihren sieben Kindern am Tisch sitzen.
    »Und das wäre gut so! Denn ich werde mich nicht in sie verlieben. Eher gehe ich ins Kloster!« Ich ließ den dramatischen Worten eine dramatische Geste folgen, bei der ich die Decke von mir strampelte, den Fernseher ausmachte und mit viel Würde ins Bett zurückmarschierte. Wäre ja noch schöner, wenn diese Frau mich von meinem Schlaf abhalten würde!
    Natürlich konnte ich kein Auge mehr zutun. Ich weigerte mich jedoch, meinen Gedanken offensichtlich einen Strich durch die Rechnung zu machen. Also gab es keine organisierte Putzorgie, kein Ausmisten des Kleiderschranks und auch keine Anrufe bei uralten Bekannten, denen man sowieso nichts zu sagen hatte.
    Allerdings gab es da einige Dinge, die ich wirklich erledigen musste. Es war schon Anfang Oktober, Zeit, sich um einige Geburtstagsgeschenke Gedanken zu machen. Ich erstellte eine Liste von Leuten, die in den nächsten Wochen beschenkt werden wollten, schrieb ein paar Glückwunschkarten, schaute im Internet nach Geschenkideen für meinen Neffen und räumte meinen Schreibtisch auf.
    In Wahrheit überlegte ich jedoch die ganze Zeit, was ich denn heute Abend anziehen, um wieviel Uhr ich losfahren, ob ich den Wein wirklich mitnehmen und über was ich denn mit ihr reden sollte.
    Als ich der Meinung war, dass alles erledigt sei, und ich mich langsam für das Abendessen zurechtmachen konnte, schockierte mich die Uhr ein zweites Mal an diesem Tag.
    »Zwölf Uhr? Du spinnst doch! Hast du Schlaftabletten geschluckt, oder was ist hier los?«
    Ich könnte schwören, die Uhr hat mich hämisch angegrinst.
    Wie durch ein Wunder verging der Nachmittag doch noch. Fünf Minuten vor sechs parkte ich den Wagen vor Kathrins Haus. Als ich ausstieg, konnte ich meine Begeisterung kaum zügeln. Das Haus lag etwas oberhalb auf einem Berg, und von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick auf den See, der glitzernd in der dunklen Nacht lag. Ich liebte das Wasser. Es wirkte so beruhigend auf mich. Wenn ich nachdenken wollte, dann fuhr ich immer an den See und ließ mir den Wind ins Gesicht blasen.
    Der Anblick hatte mich für einen Moment von meiner Nervosität abgelenkt. »Nur ein Abendessen, und es ist eher unwahrscheinlich, dass sie tatsächlich auf Frauen steht!« trichterte ich mir nochmals ein und klammerte mich an die Weinflasche, während ich an der Tür klingelte.
    »Schön, dass Sie da sind!« Ich war regelrecht geplättet von Kathrin Oswalds Empfang. Sie war leger gekleidet, sah entspannt aus und wirkte dadurch noch weicher, als ich sie ohnehin in Erinnerung hatte.
    Sie trat einen Schritt beiseite und bat mich mit einer Geste in die Wohnung. Lächelnd hielt ich ihr den Wein entgegen und hob entschuldigend die Schultern. »Ich hoffe, Sie mögen Rotwein.«
    »Perfekt! Nehmen Sie ihn mit ins Wohnzimmer? Aber vorher geben Sie mir bitte Ihre Jacke.«
    Sie nahm mir die Flasche aus der Hand und trat ganz dicht neben mich. Ich spürte, wie ich bei der Vorstellung, dass sie nur ein paar Wimpernschläge von mir entfernt stand, nervös wurde. Als ich die Jacke endlich ausgezogen hatte und sie ihr hinhielt, berührte ihre Hand für einen Moment meinen Arm. Es ist schwer zu sagen, wer von uns beiden schneller zurückzuckte, doch wir hatten es plötzlich beide sehr eilig, voneinander wegzukommen. Ich stolperte ins Wohnzimmer, während sie in die Küche

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