Traeume im Mondschein
Kunde nur denken, wenn wir zu spät kommen?“
Quinn seufzte und steuerte mit Paige am Arm auf das Foyer zu. „Leider sind wir noch nicht spät genug dran“, murmelte er und spähte auf die Karten in seiner Hand. „Wir können immer noch reingehen.“
„Das kannst du doch nicht sagen“, raunte sie ihm zu, damit die Garderobiere sie nicht hörte. Aber es war unmöglich, ernst zu bleiben, und sie lachte laut auf. Es fühlte sich so gut an, mit ihm zu lachen. An Quinns Seite war alles wunderbar. „Trotzdem hast du recht. Heute ist es ein Mahler-Konzert. Und ich hasse Gustav Mahler!“
Sie schauderte, als die Dissonanzen der 5. Sinfonie zu ihnen drangen. „Ich fürchte, das wird ein langer Abend.“
„Länger, als du glaubst“, seufzte Quinn. „Wenn du die Musik schon für unausstehlich hältst, warte, bis du den guten alten Jack Ward kennenlernst.“
An diesem Abend hatte der „gute alte Jack“ jedenfalls nur eins im Sinn, dachte Paige später. Er wollte bei ihr landen. Jack Ward war groß und gut aussehend, sein Haar hell und dicht. Seine Frau hingegen hatte zwar eine liebe Ausstrahlung, aber auffallend traurige Augen.
Erst dachte Paige, sie hätte es sich nur eingebildet, dass Mr. Wards Hand ihren Schenkel streifte. Aus den Augenwinkeln sah sie zu ihm hinüber. Sein Gesicht war mit gespannter Aufmerksamkeit dem Orchester zugewandt. Doch keine fünf Minuten später fiel sein Programmheft zu Boden. Als er danach griff, murmelte er: „Entschuldigung.“ Diesmal streifte seine Hand Paiges Brust. Wieder entschuldigte er sich.
Bis zum Ende der Vorstellung hatte sie mindestens ein halbes Dutzend Mal eine solche Entschuldigung gehört, aber keine einzige davon geglaubt. Niemandem widerfuhren so viele Missgeschicke. Nur konnte sie rein gar nichts dagegen tun. Dieser Mann war zu schnell, zu raffiniert. Sie wusste, wie das Spiel lief. Wenn sie ihn aufforderte, seine Hände bei sich zu behalten, würde er alles abstreiten. Der einzige Verlierer wäre dann Quinn, weil Ward nie mit seiner Firma zusammenarbeiten würde.
Und Mrs. Ward würde ebenfalls nichts gewinnen. Paige verging vor Mitleid. Kein Wunder, dass sie so traurig dreinblickte. Sie wusste offenbar genau, was ihr Ehemann da trieb. Jack auf sein kleines ekelhaftes Spiel aufmerksam zu machen, hätte Mrs. Wards Erniedrigung nur noch vergrößert.
Dennoch fragte sich Paige, was Quinn wohl getan hätte. Ihn wahrscheinlich verprügelt. Dieser Gedanke tröstete sie etwas. Wenn sie zu Hause waren, würde sie Quinn sagen, dass Jack nicht nur ein Ekel, sondern auch ein Flegel war.
Sie sah auf, weil sie Quinns Blick auf sich fühlte. Unter dem Tisch in dem Tanzlokal, in das sie nach dem Konzert gegangen waren, berührte Ward rhythmisch mit seinem Fuß den ihren. Sie war jedoch so auf Quinn fixiert, dass sie es kaum bemerkte. Sein Blick schien verschleiert, fast undurchdringlich. Paige fühlte, wie sie errötete. Was dachte er? Was lag hinter dieser Fassade?
Ward redete unaufhörlich auf sie ein, aber sie nahm es gar nicht wahr. Quinn hörte aufmerksam Mrs. Ward zu, den Kopf zur Seite geneigt. Wieso hatte sie diesen Mund je als hart empfunden? Er war überhaupt nicht hart, sondern sinnlich.
Jetzt wandte Quinn langsam den Kopf. Er ließ seinen Blick wandern, bis er auf Paiges Mund ruhen blieb. Unbewusst befeuchtete sie ihre Lippen mit der Zungenspitze, als sie seine Leidenschaft erahnte. Doch plötzlich huschte ein furchtbarer Ausdruck über sein Gesicht. War er böse? Nein, das konnte nicht sein.
Sie blinzelte. „Mr. Ward, lassen Sie das“, sagte sie gereizt und zog ihre Hand fort.
„Was denn?“, fragte er ganz unschuldig.
Paige erschauderte und wischte ihre Hand an einer Serviette ab. Sie hatte sich so stark auf Quinn konzentriert, dass ihr nicht gleich aufgefallen war, dass Ward mit seinem Zeigefinger über ihren Handrücken strich.
„Kommen Sie, Schätzchen. Zeigen wir den beiden mal, wie man richtig tanzt.“
Ward zog sie von ihrem Stuhl hoch und – bevor Paige protestieren konnte – in seine Arme. Schon bewegte er sich mit ihr im Arm über die Tanzfläche.
„Mir ist nicht nach tanzen zumute“, sagte sie und versuchte, den Abstand zu ihm zu wahren. „Bitte, Mr. Ward …“
„Jack“, wiederholte er. „Wieso sind Sie nur so verspannt, Schätzchen? Hat Ihnen niemand das Tanzen beigebracht?“
„Ich bin nicht verspannt“, gab sie erbost zurück. „Ich mag es nur nicht, so nah gehalten zu werden.“ Über Wards Schulter hinweg sah sie
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