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Träume in Kristall

Träume in Kristall

Titel: Träume in Kristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasunari Kawabata
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Dabei sah ich hinab auf den Schoß. Die Wärme des Mädchenarms teilte sich meinen Schenkeln mit.
    »Warte, wir wollen den Ring überstreifen. Zum Zeichen dafür, daß es mein Arm ist.« Mit lächelndem Gesicht hob das Mädchen seinen linken Arm an meine Brust. »Bitte …«
    Der nun Einarmigen fiel es schwer, den Ring abzuziehen.
    »Etwa ein Verlobungsring?« fragte ich.
    »Nein, das nicht. Ein Andenken an meine Mutter.« Es war ein Platinring, besetzt mit einigen winzigen Diamanten.
    »Mag sein, daß man ihn für einen Verlobungsring hält, mir macht das aber nichts aus, ich trage ihn trotzdem«, sagte das Mädchen. »Ich habe ihn nun einmal so angesteckt, und wenn ich ihn ablegen würde, wäre mir verloren zumute, als hätte ich mich endgültig von meiner Mutter getrennt.«
    Ich zog dem Mädchen den Ring vom Finger. Dann hob ich den Arm an, der auf meinem Schoß lag, und während ich diesen Ring dort auf den Schminkfinger schob, fragte ich: »Ist es richtig so?«
    »Ja«, nickte das Mädchen. »Nur, wenn ich mir vorstelle, du trägst ihn dann so, wie er ist, Ellbogen und Fingergelenke ohne jede Biegung und starr ausgestreckt, – er sähe doch widerwärtig aus, wie ein künstlicher Arm. Ich werde ihn beweglich machen.« Mit diesen Worten nahm mir das Mädchen seinen rechten Arm aus der Hand und näherte seine Lippen sanf dem Ellbogen. Berührte auch die Fingergelenke eins ums andere mit den Lippen.
    »Nun bewegen sie sich.«
    »Danke«, sagte ich und nahm den Mädchenarm zurück. »Ob er wohl sprechen wird, dieser Arm? Mir etwas erzählen wird?«
    »Er kann, denke ich, nur eben das, was ein Arm kann. Würde er zu sprechen anfangen, müßte ich mich später, wenn du ihn mir zurückgegeben hast, ja fürchten. Immerhin, du magst es versuchen … Gehst du zärtlich mit ihm um, ist er vielleicht wenigstens imstande, deinen Reden zuzuhören.« »Und ich werde zärtlich mit ihm umgehen.«
    »Lebwohl so lange.« Wie um sein Herz auf ihn zu übertragen, berührte das Mädchen seinen eigenen rechten Arm, den ich hielt, mit den Fingern der linken Hand. »Eine Nacht nur, – aber für die gehörst du ihm.«
    Dabei sahen die auf mich gerichteten Augen des Mädchens nach mühsam unterdrückten Tränen aus. »Wenn du zu Hause bist, – möglich, daß dir einfällt, du könntest deinen rechten Arm gegen meinen rechten Arm vertauschen …« sagte das Mädchen. »Tu es meinetwegen.« »Ah, ich danke dir.«
    Den rechten Arm des Mädchens unter meinem Regenmantel verbergend, ging ich zu Fuß durch die vom Nebel eingeschlossene nächtliche Stadt. Hätte ich die Bahn genommen oder ein Taxi, würde man mich für verdächtig gehalten haben. Und hätte der vom Leib des Mädchens abgetrennte Arm am Ende zu weinen oder zu schreien angefangen, wäre der Tumult dagewesen.
    Ich hatte den Mädchenarm mit der rechten Hand an der Rundung des Gelenks gefaßt, die ich links gegen meine Brust preßte. Der aufwärts gerichtete Arm war zwar vom Regenmantel bedeckt, doch mußte ich von Zeit zu Zeit mit meiner linken Hand den Mantel befühlen, wie um mich seiner zu vergewissern. Mir scheint jedoch, dies war eine Geste, mit der ich das Vorhandensein nicht so sehr des Mädchenarms als vielmehr meines Glücks überprüfe.
    Das Mädchen hatte seinen Arm an jener von mir so geliebten Stelle abgelöst. War es am oberen Armgelenk, oder war es am Schulterrand? Dort jedenfalls, wo er eine weiche, volle Rundung besaß. Eine Rundung, wie sie die schönen und schlanken Mädchen im Westen haben und die bei jungen Japanerinnen so selten sind. Bei diesem Mädchen aber war sie da: unschuldig anmutige Rundung wie eine Kugel aus schimmerndem reinem Licht. Verlöre das Mädchen seine Unschuld, würde bald auch die Anmut dieser Rundung abstumpfen. Würde sie schlaff werden. Eine schöne Rundung von nur kurzer Dauer, selbst im Leben einer jungen Schönen. Und bei diesem Mädchen war sie da. Es war aus solcher anmutigen Schulterrundung das anmutige Ganze des Mädchenkörpers zu spüren. Mir schien, die Rundungen der Brüste, nicht eben groß, mußten, wenn man sie in die Handflächen schlösse, eine ebenso scheue, zugleich jedoch anhaftende Festigkeit und Weichheit haben. Auch sah ich, betrachtete ich diese Schulterrundung, die dahinschreitenden Mädchenbeine. Wie ein schmaler Vogel seine leichten Füße, wie Falter, die von Blume zu Blume wechseln, mußte das Mädchen seine Beine setzen. Sogar in der Zungenspitze mußte beim Kuß der gleiche feine Rhythmus sein. Nun in der

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