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Träume jenseits des Meeres: Roman

Träume jenseits des Meeres: Roman

Titel: Träume jenseits des Meeres: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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betrachteten. »Und auf dem Boden liegt so viel Asche, dass er fruchtbar wird.«
    George war bleich und hatte die Fäuste geballt, so dass seine Knöchel weiß durch die gebräunte Haut hervortraten. »Ich werde die Schweinehunde finden, die das getan haben, und sie einzeln umbringen«, murmelte er vor sich hin.
    »Das führt zu nichts«, sagte Ernest ruhig. »Die sind längst über alle Berge.«
    »Aber wir haben alles verloren, Ernie. Wir sind hier von der Außenwelt abgeschnitten, und wer weiß denn, ob die Schwarzen nicht zurückkommen und uns vollends erledigen, jetzt, da wir so verwundbar sind?«
    »Die hätten uns gestern Abend schon aufgespießt, wenn sie das vorgehabt hätten«, sagte Ernest leise, dem die schreckliche Wirklichkeit ihrer Situation endlich dämmerte. Millicent sollte in drei Tagen vor Gericht erscheinen, und er hatte ihr hoch und heilig versprochen, zu kommen. Jetzt war es unmöglich, denn Sydney Town war mindestens zwei harte Tagesritte entfernt und noch viel weiter, wenn man zu Fuß gehen musste.

Zweiundzwanzig
    Sydney Town Court House, 1. Mai 1793
    D
as Militärgericht tagte, und der neue Oberste Richter war in seiner Dienstrobe prächtig anzusehen; die Epauletten blitzten in den Lichtstrahlen, die durch die Fenster drangen.
    Susan betrachtete ihn nachdenklich. Er war ein imposanter Mann, ähnlich wie Gilbert, mit dickem Schnurrbart und buschigen Augenbrauen. Doch das war auch schon alles an Ähnlichkeiten, denn Susan wusste, dass Major Hawkins dafür bekannt war, in seinen Urteilen in Bezug auf Sträflinge voreingenommen zu sein. In Sydney Town war man einhellig der Ansicht, dass er die meisten für unverbesserlich hielt. Aufhängen und auspeitschen war seine häufigste Reaktion auf Missetaten – oder er verbannte sie einfach in die Strafkolonie auf Norfolk Island, wo sie den Rest ihres elenden Lebens in einem Höllenloch verbringen konnten, aus dem es kein Entrinnen gab.
    Susan schaute sich im Gerichtssaal um und war dankbar, dass er für heute wenigstens die Öffentlichkeit ausgeschlossen hatte. Man hatte entschieden, dass dieser Fall eine militärische Angelegenheit sei und daher innerhalb der Militärjustiz zu verhandeln sei, da sechs Offiziere des New South Wales Corps der Vergewaltigung angeklagt waren. Susan war heilfroh, dass Millicent die üblichen Horden von Zuschauern erspart blieben, die sich einen Spaß daraus machten, andauernd zu Gerichtsverhandlungen zu gehen.
    Ahnungsvoll warf sie einen Blick auf die Anklagebank und die Männer, die dort warteten. Ihr Verhalten reichte von trotzig bis erschrocken – einer aber stach ihr besonders ins Auge, nicht nur, weil ihr sein Gesicht nur allzu bekannt vorkam, sondern weil er keine Scham für sein Verbrechen zeigte und lässig an dem Holzgeländer lehnte, als wartete er auf eine Postkutsche.
    Dem Richter war dieser Mangel an Respekt offenbar aufgefallen. »Nehmen Sie Haltung an«, brüllte er. »Sonst belange ich Sie wegen Missachtung des Gerichts.«
    Der Offizier seufzte und fügte sich, doch Susan bemerkte den Affront in seinem lässigen militärischen Gruß und wusste, es würde ihm in den Augen des Richters nicht gerade dienen. Mit einem nervösen Blick über die Schulter ließ sie ihren Blick rasch durch den Raum schweifen. Zum Glück war der Mann, vor dessen Anblick sie panische Angst hatte, nicht zu sehen, was sie einigermaßen beruhigte.
    Stille herrschte im Raum, bis auf das Rascheln von Papier und das kaum hörbare Raunen der Offiziere, die Anklage und Verteidigung vertraten. Susan konnte Millicents Gesicht nicht sehen, es war durch den schwarzen Schleier verhüllt, den sie an ihren Hutrand genäht hatte, doch sie spürte die Anspannung des Mädchens und legte ihr ermutigend einen Arm um die Taille.
    Hawkins schob die Papiere vor sich zusammen und griff nach dem Hammer. Er hatte es eilig, die Sache hinter sich zu bringen, denn Major Grose, der neu gewählte Gouverneur, gab an diesem Nachmittag eine Party, und Hawkins mochte nichts lieber, als seinen alten Rivalen zu reizen. Sie hatten beide erbittert um diesen illustren Posten gekämpft, und Hawkins hatte Arthur Phillip nie verziehen, dass er ihm einen seiner Meinung nach sehr gewöhnlichen Mann vorgezogen hatte.
    Hawkins schlug mit dem Hammer auf den Tisch und rief zur Ordnung.
    Millicent hatte gewusst, dass der heutige Tag käme, und obwohl sie mit Susan zusammen darum gebeten hatte, nicht an der Verhandlung teilnehmen zu müssen, hatte der Richter abgelehnt. Dem

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