Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
erteilt, alles frei nutzen zu können. Carbonara ist eines meiner Lieblingsgerichte und ich mache sie auf traditionelle Weise mit einem Eigelb, dem Nudelwasser mit Parmesan, Knoblauch und Bacon. Heute jedoch ist sie ein wenig anders. Wir mussten beim Kauf des Käses improvisieren. Anscheinend hat mich das so irritiert, dass ich vergessen habe, den Bacon zu kaufen und mir das auch nicht auffällt, bis ich die fertige Pasta in der Pfanne unterrühren möchte und mir diese nur mit Knoblauch ein wenig leer erscheint. Im Rucksack habe ich noch eine Mortadella von gestern. Gegen jede Skepsis beschließe ich, diese statt des Bacons zu verwenden. Die Carbonara wird hervorragend! Wir nehmen noch eine warme Dusche und gehen diesmal mit Gepäck zurück, um unsere Zelte aufzuschlagen und uns schlafen zu legen.
06.07.09, Montag – Trabadelo nach O Cebreiro
Das Plätschern des Wassers im Hintergrund unserer Zelte beschert uns eine wunderbare, friedliche Nacht und holt uns am Morgen friedlich aus unserem Schlaf. Wir begeben uns zurück zur Herberge, um uns Pfannkuchen zum Frühstück zu machen. Haben gestern bereits 2 Eier mehr gekauft und mit einem Liter Milch vorgesorgt. Mehl gab’s noch in der Herberge. Nach unserem köstlichen Frühstück geht’s wieder los. Heute mal mit einem Ziel und sogar straffem Zeitplan, denn Lucias Mutter ist extra aus Brasilien angeflogen und erwartet uns heute in O Cebreiro. Die letzten Tage haben wir jedes Gefühl für Raum und Zeit verloren. Wir stehen auf, wenn wir aufstehen wollen, laufen, solange wir laufen wollen, schlafen, wenn wir schlafen wollen und essen, wenn wir essen wollen. Bevor wir uns getroffen hatten, war mein Tag noch relativ strukturiert, obwohl ich das eigentlich immer vermeiden wollte. Ich habe immer auf die Zeit geachtet, überlegt, wie weit ich noch laufen werde, überlegt, wo ich am besten schlafen kann, geplant, wo und wann ich mir was zu essen kaufe und manchmal sogar geplant, wann ich morgens aufstehe, um zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu sein. Lucia ist in dieser Hinsicht bereits um einiges weiter als ich. Die Tatsache, dass alles zum rechten Zeitpunkt geschieht, muss man akzeptieren. Hat man Vertrauen, hat man keine Sorgen mehr. Es ist sinnlos sich Gedanken über Dinge zu machen, die man nicht beeinflussen kann. Ich kann so lange laufen, wie ich will, und wenn ich nicht mehr kann, nehme ich den erst besten Platz zum schlafen. Überlege ich mir jedoch schon am Morgen, bis wohin ich heute laufen werde und wann ich dort ankommen muss, habe ich nur Stress. Ich verpasse den Weg zu meinem Ziel und komme niemals an, denn der Weg ist ja bekanntlich das Ziel. Ich merke, dass ich eine riesige Veränderung mit mir durchmache. All die Begegnungen auf dem Camino und all die Gespräche haben einiges in mir bewegt. Die Kilometer langen Wanderungen, auf denen ich manchmal keiner Menschenseele begegne, geben mir Zeit, Gedanken zu fassen, die ich im Alltag niemals zustande bringen könnte. Die Wahrnehmung der Natur verändert sich und das Leben findet sich in allem wieder, was einen umgibt. Es steckt in jedem Gegenstand und es liegt nur an uns, dessen Seele zu erwecken. Ich fange an zu verstehen, wieso Menschen sich auf der Suche nach Gott auf den Camino begeben. Der Weg hat etwas Transzendentes, etwas Übernatürliches, wenn man vertraut und die Dinge geschehen lässt.
Eigentlich haben wir auch heute alle Zeit der Welt, denn O Cebreiro ist weniger als 20 km von hier entfernt und es ist grade mal 8:30 Uhr. Dennoch ist Lucia nervös und unruhig. Vor wenigen Tagen hätte ich die ca. 20 km noch in 3 bis 4 Stunden hinter mich gebracht, daher schreibt Lucia ihrer Mutter aus der Herberge eine Email, in der wir meiner Berechnung nach gegen 13 Uhr in O Cebreiro eintreffen werden. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass diese Berechnung aufgrund unseres bisherigen Tempos absolut unrealistisch ist.
Als wir loslaufen, ist es kühl und leicht bewölkt. Der Weg ist zu Beginn leider nicht so schön, denn es geht die ganze Zeit nur an der Schnellstraße entlang. Um 13 Uhr haben wir grade mal knapp die Hälfte zurückgelegt und erreichen eine Herberge namens „Albergue Do Sol“, geführt von einer Brasilianerin. Natürlich kommen wir nicht drum herum, dort zu halten und eine längere Pause einlegen. Die Brasilianerin aus Salvador da Bahia lädt uns ein, ihre sich im Schatten befindenden Hängematten hinter dem Haus für ein kleines Schläfchen zu nutzen und da der Himmel wie
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