Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
dann den Abstieg in Richtung Triacastela zu beginnen. In La Laguna gibt es eine kleine Herberge, eher ein Refugio, welches ich angesteuert habe. Der Herbergsvater, ein Deutscher, bittet mich Platz zu nehmen und erst einmal ein Glas Wein zu trinken und zum Abendessen zu bleiben. Ich sei sein Gast und bin heute eingeladen. Hunger habe ich tatsächlich und so lasse ich mich nieder und entspanne mich ein wenig. Er hat einen Hund namens Lobo in seiner Herberge, der wie ein weißer Wolf ausschaut. Auf jeden Fall ist dort mal ein Husky durch seine Blutslinie gelaufen. Ein wundervolles Tier. Draußen ist es schon stockdüster und es wird immer später, der Abend aber auch sehr nett. Am Ende siegt meine Vernunft und ich beschließe, morgen früh zeitig aufzubrechen und die beiden dann bis zum Nachmittag einzuholen. Ich bekomme ein gemütliches Bett und da außer mir keine anderen Pilger hier sind, darf Maja sogar mit in die Schlafräume.
09.07.09, Donnerstag — La Laguna über O Cebreiro nach Triacastela
Um 4:45 Uhr wache ich bereits auf. Bin hellwach und auch wenn es verrückt ist, stehe ich auf und mache mich Abmarsch bereit. Dreißig Minuten später laufe ich wieder einmal in Richtung O Cebreiro. Vor der Herberge liegt Lobo. Als er Maja und mich sieht steht er auf und läuft mit uns mit. Es ist noch eiskalt und stockdüster. Zwar ist der Mond fast voll und der Himmel sternenklar, aber der Weg ist so schwarz, dass ich keine 2 Meter weit gucken kann. Lobo scheint meine Gedanken zu lesen. Als wollte er mich und Maja beschützen, geleitet er uns bis nach O Cebreiro. Er läuft wenige Meter vor uns her, so dass ich in der Dunkelheit immer einen leicht weißen Punkt im Nichts erkennen kann, dem ich einfach folge. Es mag verrückt klingen, aber es ist wieder einmal ein Hund, der mir den rechten Weg weist. Damals in Puente la Reina, als ich krank und deprimiert war, kam ein Husky zu mir. Und jetzt, wo es stockdüster ist, ich wegen Lucia deprimiert bin und mich mutterseelenallein mit Maja im Dunkeln befinde, taucht er wieder auf. Dieses Mal völlig in Weiß. Es mag absurd klingen, aber ich habe Gott für mich gefunden, ohne wirklich nach ihm gesucht zu haben. Er ist allgegenwärtig und in allem, was uns umgibt. Er ist der Tag und die Nacht, die Sonne und der Mond, die Luft, die wir atmen und das Wasser, welches wir trinken. Er ist in jedem Gegenstand und in jedem Lebewesen und dennoch ist er zugleich nichts von alledem! Für mich ist er das Universum und das Universum ist das Absolute. Es liegt an jedem Einzelnen, welche Interpretation man für sich zulassen möchte. Öffnet man jedoch seinen Geist, so lassen sich die Zeichen lesen. Mir hilft Gott heute morgen in der Manifestation des weißen Hundes. Ich verliere jede Angst und obwohl ich eine Taschenlampe dabei habe, benutze ich diese nicht. Sie würde das Schwarz um mich herum nur verstärken und mir die Sicht auf meinen Begleiter verwehren. Ich habe Vertrauen und dieses Vertrauen ist stärker als alles, was ich je zuvor in meinem Leben gefühlt habe. Pantheismus steht für mich nicht mehr im Gegensatz zum mir bisher vermittelten Monotheismus, Gott offenbart sich in allen Elementen der Welt, die mich umgeben. Wir kommen sehr gut voran und Lobo führt uns bis nach O Cebreiro. Vor dem Dorfeingang dreht er sich um, schaut mich noch einmal an und läuft wieder zurück. Ich bleibe noch einige Minuten wie verzaubert stehen und blicke ihm nach, bis er wieder vollends aus meiner Sicht verschwunden ist. Es ist 7 Uhr morgens und O Cebreiro scheint grade zu erwachen. Die Wolken liegen wie ein Meer aus weißem Zuckerguss über den Tälern und verdecken alles darunter liegende unter sich. Ich bin über den Wolken, nicht wie in einem Flugzeug, nein, sie sind direkt vor mir, neben mir und hinter mir. Nur wenige Schritte entfernt.
Sieht so das Paradies aus? Eine Landschaft, weiß bis zum Horizont, aus der hier und da eine kleine Gebirgsinsel ragt. Als würde der Anblick süchtig machen, brauche ich lange, mich von ihm zu lösen und meinen Weg fortzusetzen.
Es gibt wieder eine Alternativroute, ein Stück länger, aber natürlich auch wieder wesentlich schöner. Es geht durch einen dichten Nadelwald. Nachdem Maja und ich den Wald durchquert haben, stehen wir an einer langen Staubstraße, die uns zur Linken den Blick über die Täler ermöglicht, während wir diese entlang laufen. Langsam geht die Sonne auf und füllt ein Tal nach dem anderen mit ihren Strahlen. Um 9 Uhr erreichen wir dann
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