Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum
traditionellen aus Naturstein gebauten Häusern mit tiefem Strohdach. Es ist stockdunkel und wir laufen durch die kleine 100m lange Gasse welche den Dorfmittelpunkt bildet. Rechts und links sind überall kleine Restaurants und Bars. Am Ende der Straße steht eine Tür offen. Wir steuern dieses Restaurant an und drinnen sitzt Lucias Mutter mit gefalteten Händen und betet. Als sie uns erblickt, bricht sie in Freudentränen aus. Sie hat ihre Tochter seit über einem Jahr nicht mehr gesehen. Lucia hat Brasilien damals verlassen, um in Italien einen Zeichenkurs zu belegen. Als dieser zu Ende war, beschloss sie, noch weitere Zeit in Italien zu verbringen und so wurde aus einem Monat ein ganzes Jahr. Cecilia, Lucias Mutter, strahlt und lässt ihren Emotionen freien Lauf. Wir sitzen noch in dem Restaurant, bis uns der Wirt vor die Tür setzt, um endlich schließen zu können. Es ist unangenehm kalt hier oben auf dem Cebreiro und dichter Nebel umhüllt das kleine Dorf. Lucias Mutter hat sich in einem der Hostals eingecheckt und bietet uns an, einfach in ihrem Zimmer zu schlafen. Sie scheint da als Brasilianerin wohl kein Problem drin zu sehen, ich sehe jedoch schon den Besitzer vor mir, der uns alle samt Hunde davon jagt, wenn wir es wagen, in einem Einbett-Zimmer zu dritt, bzw. zu fünft zu nächtigen. Um Komplikationen aus dem Weg zu gehen, bestehe ich darauf, im Zelt zu schlafen und ehrlich gesagt, ist mir das sogar lieeber. Cecilia wirft uns noch 2 dicke Wolldecken aus dem Fenster und so verkriechen Lucia, ich, Maja und Buju uns in unser Zelt, umhüllt vom kalten Nebel.
07.07.09, Dienstag — O Cebreiro
Trotz der eisigen Kälte gestern Nacht haben wir prima geschlafen. Wir schleichen uns durchs Wirtshaus in Cecilias Zimmer und nehmen erst einmal eine heiße Dusche, um anschließend alle zusammen zu frühstücken. Wir sitzen bis zum späten Vormittag im Gasthaus und vertrödeln dann den Nachmittag in O Cebreiro, essen wenige Stunden später zu Mittag und planen bereits das Abendessen. Heute wird definitiv nicht mehr gelaufen. Am Nachmittag schauen wir uns die Kirche an und ich erzähle den beiden die Geschichte des Bauern, der bei Sturm und Regen auf den Cebreiro hoch steigt, um an der Messe teil zu nehmen. Die Geschichte stammt aus dem 14. Jh. Der besagte Bauer war der einzige Anwesende in der Messe und der Mönch, ein Priester, sagt man, habe sich im Stillen gedacht, dieser Mensch muss verrückt sein, sich für ein Stückchen Brot und Wein den steilen Aufstieg anzutun. In diesem Augenblick verwandeln sich das Brot in Fleisch und der Wein in Blut.
Da Cecilia und Lucia beide sehr gläubig sind, verbringen sie mehr Zeit als ich in der Kirche und beenden ihren Besuch mit einem Gebet. Den Rest des Tages bis zum Abendessen verbringen wir mit Nichtstun und genießen einfach nur die wunderbare Aussicht und die strahlende Sonne auf 1250m Höhe.
08.07.09, Mittwoch — O Cebreiro zurück nach La Laguna
Nach dem gestrigen Ruhetag soll es heute weiter gehen. Lucia hat ihre Mutter überredet, von hier nach Santiago zu laufen und ihr einen Pilgerpass besorgt. Zwar bietet Lucia mir an, mit ihnen zu gehen, aber ich habe das Gefühl, dass die beiden ein wenig Zeit für sich benötigen. Cecilia ist extra aus Brasilien gekommen, um ihre Tochter zu sehen und möchte sie schnellstmöglich wieder zurück holen. Wir tauschen unsere Email-Adressen aus und verabschieden uns mit dem Wissen, dass wir uns eventuell nie wieder sehen werden. Lucia möchte, sobald sie Santiago erreichen, ihrer Mutter noch für 1-2 Wochen Italien zeigen und wird dann mit ihr zurück nach Brasilien fliegen. Wenn wir uns jetzt trennen, so ist es vielleicht für immer! Zum Abschied schenkt mir Lucia einen Origami-Schwan, den sie aus einem Stück Papier gefaltet hat. Ich lasse die beiden losziehen und laufe selbst zurück ins letzte Dorf vor O Cebreiro. Ich bin mir aber eigentlich sicher, dass ich Lucia wieder sehen werde, denn bis Santiago sind es noch ca. 150 km und die beiden laufen sicherlich nicht mehr als 10 km pro Tag. Es ist schon relativ spät, als ich mich auf den Rückweg mache und ich fühle mich ziemlich deprimiert. Vor wenigen Stunden war ich noch mit allem einverstanden und sicher, Lucia nicht verloren zu haben. Aber nun ist sie weg und ich fühle mich plötzlich verlassen und einsam ohne sie. Als ich in La Laguna ankomme, bereue ich meine Entscheidung so sehr, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, umzudrehen und wieder nach O Cebreiro zu laufen, um
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