Traeume Suess, Mein Maedchen
hinter seinem Rücken hervor, und Emma entwand sie seinen störrischen Fingern. »Ich hab nie was Gutes zum Vorzeigen, wenn wir was zur Erzählstunde mitbringen sollen«, sagte er und verzog seine Lippen zu einem übertriebenen Schmollmund.
»Nun, wenn du mir ein bisschen früher Bescheid sagen und nicht immer bis zur letzten Minute warten würdest«, erwiderte Emma wütend, »könnte ich vielleicht etwas Interessantes zum Mitnehmen für dich finden.«
»Was denn?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie, nahm seine Hand und zog den wimmernden Jungen hinter sich her die Treppe hinunter. »Schon gut. Pass auf. Wir finden was.« Sie ging ins Wohnzimmer, warf die Schale aufs Sofa und sah sich hilflos um.
Sie musste Jan das verdammte Ding noch zurückgeben. Aber wann? Und wie? Was konnte sie der Frau sagen? Und wie viel konnte sie zugeben?
»Wir haben nichts«, heulte Dylan.
»Doch«, fiel Emma ein, und sie rannte in die Küche. »Ich hab das perfekte Teil zum Vorzeigen.«
Dylan folgte ihr auf dem Fuß, während sie in den Küchenschränken kramte. Wohin hatte sie es bloß gestellt? »Was ist es denn?«, fragte Dylan.
»Ein Becher«, verkündete Emma, schloss die Finger um den Henkel, drehte sich um und präsentierte ihn ihrem Sohn. »Er ist von Scully’s Sportstudio. Siehst du das Logo auf beiden Seiten?«
Dylan wirkte unbeeindruckt. »Was ist ein Logo?«
»Das ist der Name«, korrigierte Emma sich, weil sie nicht die Geduld für eine Erklärung hatte. »Zeig den Becher einfach deiner Vorschulklasse und erzähl allen, dass man einen umsonst bekommt, wenn man Mitglied bei Scully’s wird, zusammen mit einem kostenlosen T-Shirt.« Sie konnte ebenso gut ein bisschen Werbung für Scully’s machen, tätige Reue, die helfen sollte, ihre Sünden abzubüßen.
»Kann ich ihnen auch das T-Shirt zeigen?«
»Ich habe kein T-Shirt.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich kein Mitglied geworden bin.«
»Und warum hast du dann einen Becher geschenkt bekommen?«
»Dylan, willst du den Becher oder nicht?«
Dylan drückte das Gefäß fest an die Brust, als hätte er Angst, dass sie es ihm wieder entreißen könnte. »Ich will ihn«, erklärte er.
»Okay. Und jetzt los, sonst kommst du zu spät.« Sie öffnete die Haustür, trat ins Freie und hielt ihrem Sohn die Tür auf, bis sie feststellte, dass er wieder verschwunden war.
»Ich muss mal«, rief er und lief in den ersten Stock.
»Nicht zu fassen«, murmelte Emma, ließ die Tür hinter sich zufallen und starrte abwesend auf die Straße. Der blaue Thunderbird parkte immer noch vor Mrs. Discalas Haus, und es sah so aus, als würde jemand darin sitzen, obwohl aus der Entfernung schwer zu sagen war, ob es ein Mensch war oder nur der Schatten eines Astes. Was für ein Baum war das, fragte sie sich, als sie Lily und ihren Sohn Michael aus dem Haus kommen sah. Sie dachte, dass Lily wahrscheinlich wusste, was für Bäume entlang der Mad River Road wuchsen. Lily war der Typ, der so etwas wusste. Vielleicht würde sie sie fragen. Vorausgesetzt natürlich, dass Lily noch mit ihr redete. Sie wusste nicht, ob Lily inzwischen mit Jeff Dawson gesprochen hatte und ob er ihr, falls sie miteinander geredet hatten, von dem unseligen Zwischenfall bei Marshalls erzählt hatte. Wie sollte sie das erklären, fragte sie sich noch einmal, während die Entschlossenheit der vergangenen Nacht bröckelte. Konnte sie Lily wirklich die Wahrheit anvertrauen? Hatte sie überhaupt eine andere Wahl?
»Mom«, sagte Dylan und zupfte am Ärmel ihrer Jeansjacke. »Mom, wir kommen zu spät.«
»Was? Oh. Oh, tut mir Leid. Ich hab dich gar nicht runterkommen hören. Bist du jetzt fertig?«
Dylan reckte den Becher in die Luft. »Einen Becher hat noch nie jemand mitgebracht«, sagte er stolz. »Hey, da ist Michael. Hallo, Michael!«, rief er und rannte schon die Straße hinunter, wo Lily und ihr Sohn warteten. »Ich hab einen Becher zum Vorzeigen in der Erzählstunde.«
»Hey, solche haben wir auch«, sagte Michael, als Emma näher kam.
»Hi«, begrüßte sie Lily.
»Hi«, erwiderte Lily und blickte auf den Bürgersteig.
Sie weiß Bescheid, dachte Emma, als sie nebeneinander die Straße hinuntergingen. »Hey, weißt du, was für Bäume das sind?« Sie deutete vage auf sämtliche Bäume der Nachbarschaft.
»Na, das sind natürlich Ahornbäume«, sagte Lily und schaffte es, Emmas Blick zu meiden, als sie in ihren Vorgarten guckte.
»Natürlich«, stimmte Emma ihr zu.
»Und das da sind Eichen.« Sie zeigte in die
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