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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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ihren
Mädchennamen angenommen, hatte ihren Sohn genommen und war in den Norden gegangen. Ralph saß zurzeit in einem Gefängnis in Florida und wartete auf seinen Prozess. Wenn der Prozess vorbei und Ralph, wie Lily nur hoffen konnte, für den Rest seines Lebens sicher weggesperrt war, würde sie zu ihrer Mutter nach Kalifornien ziehen. Bis dahin wollte sie sichere Distanz zu allen wahren, die sie liebte. Nur für den Fall, dass irgendwas schief lief und er einige seiner Drohungen wahr machte. Ihre Freundin Grace hatte ihr versprochen, sie per E-Mail regelmäßig auf dem Laufenden zu halten, obwohl Lily schon seit einigen Wochen nichts mehr von ihr gehört hatte. Vielleicht würde sie später in einem Internet-Café vorbeischauen und ihr ein paar Zeilen schicken.
    Aber eins nach dem anderen, entschied sie, klingelte bei Emma und lauschte auf nahende Schritte. Etliche Sekunden lang blieb es still, aber als Lily gerade ein zweites Mal klingeln wollte, hörte sie die vertraute Stimme.
    »Komm rein«, rief Emma aus dem Haus.
    Lily drehte sich zu dem leeren blauen Thunderbird um, atmete tief durch, stieß die Tür auf und trat ein.

29
     
     
    Jamie saß, unfähig, sich zu rühren, auf der Lehne des beige-grünen Sessels. Sie hörte, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Es war nur eine Frage von Minuten, bis mindestens eine, wahrscheinlicher zwei Frauen tot wären. Wenn ich Glück habe, dachte sie, bringt er mich auch um.
    »Emma?«, rief eine Frau im Flur. Das Haus wirkte unnatürlich still, als ob es den Atem anhalten würde.
    »Ich bin im Wohnzimmer«, rief Emma zurück. Ihre Stimme klang weit entfernt und gepresst, als wäre sie in einem anderen Zimmer des Hauses und säße nicht direkt neben Jamie.
    »Tut mir Leid, dass ich einfach so reinplatze. Ich weiß, dass ich gesagt habe, ich würde später kommen.« Eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren und besorgten blauen Augen tauchte in der Wohnzimmertür auf. Brad hatte gesagt, seine Exfrau hieße Beth, aber Emma hatte darauf bestanden, dass der Name ihrer Freundin Lily war. »Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.«
    Jamie registrierte Lilys verwirrten Gesichtsausdruck, als sie sich im Zimmer umsah. Sie fragte sich, ob sie die lauernde Gefahr spürte, und versuchte, in Lilys Kopf zu kriechen und die Szene aus ihrer Perspektive zu betrachten: Ihre Freundin Emma saß aschfahl und kerzengerade auf dem Sessel, der im rechten Winkel zu ihrem Sofa stand. Auf der Lehne hockte eine Fremde mit einem verschwollenen Kinn und einem Veilchenauge, deren blaue Flecken so gar nicht zu den wunderschönen goldenen Perlohrringen passen wollten, die sie trug.

    »Tut mir Leid«, stotterte Lily. »Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.«
    »Das ist schon okay«, sagte Emma, obwohl es ganz offensichtlich nicht okay war.
    »Ich kann auch später wiederkommen.«
    »Nein, geh nicht«, flehte Emma förmlich. »Bitte, komm rein.«
    »Bist du sicher, dass ich nicht bei irgendwas störe?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    Jamie fragte sich, ob Emma ihr ihre Freundin vorstellen wollte.
    »Ich bin Lily«, sagte sie zu der jungen Frau, bevor Emma die Gelegenheit hatte, und streckte die Hand aus. »Ich wohne ein paar Häuser weiter.«
    »Freut mich«, erwiderte Jamie, ohne die Hand zu heben.
    »Lily, sagten Sie?«
    »Nun, genau genommen Lily-Beth«, erklärte Lily. »Das ›Beth‹ hab ich vor einiger Zeit abgelegt. Aber im Interesse einer umfassenden Enthüllung …« Sie brach ab und lief dunkelrosa an, als sie zu Emma blickte. »Darüber können wir auch später noch reden. Sie sind …?«, fragte sie und sah wieder Jamie an.
    »Jamie. Jamie Kellogg.«
    »Kellogg?«, wiederholte Lily, nicht aus echtem Interesse, sondern um das verlegene Schweigen zu überbrücken. »Irgendwie verwandt mit den Cornflakes-Leuten?«
    »Nein«, antwortete Jamie, ohne den Kopf zu schütteln, weil das zu wehtat.
    »Tut mir Leid. Das werden Sie wahrscheinlich dauernd gefragt.«
    »Ach, eigentlich nicht mehr so oft«, sagte Jamie. Führten sie wirklich dieses Gespräch?
    Wieder blickte Lily zu ihrer Freundin.
    Bemerkte sie nicht, wie steif Emma dasaß, fragte Jamie sich. Fiel ihr nicht auf, dass ihre Hände während des ganzen
Gesprächs regungslos hinter ihrem Rücken verharrten, weil sie von einem engen Seil gefesselt waren, das an den Handgelenken in ihr weiches Fleisch schnitt?
    Wenn, ließ Lily sich nichts anmerken. »Und was ist mit euch beiden?«, fragte sie. »Seid ihr verwandt?«
    Emma sagte

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