Traeume Suess, Mein Maedchen
war der Tag, an dem sie sich auf Jobsuche machen wollte, aber ihr Sohn hatte in der Nacht nicht gut geschlafen - wieder ein Alptraum -, was natürlich bedeutete, dass sie auch nicht gut geschlafen hatte. Sie bezweifelte, dass die dunklen Ringe unter ihren normalerweise lebhaften blauen Augen bei einem potenziellen Arbeitgeber einen guten Eindruck machen würden. Ihre Augen hatten immer auf andere gewirkt. Sie waren groß und mandelförmig und betonten ihr außergewöhnlich hübsches Gesicht. Außerdem hatte sie noch gar nicht entschieden, was für einen Job sie eigentlich suchte. »Ich gucke später«, nahm sie sich mit Blick auf die Zeitung vor, die gleich hinter der Haustür auf dem Holzfußboden lag.
Sie ging durch den kleinen Flur, der das Haus in zwei uninteressante Hälften teilte, das Wohnzimmer zur Linken war nur geringfügig geräumiger als das Esszimmer zur Rechten und die Küche dahinter gerade groß genug, um den runden weißen Tisch und die beiden Klappstühle unterzubringen, die sie wie die meisten anderen Möbel in einem Trödelladen gekauft hatte. Ein seltsam geformtes braunes Sofa, das irgendwann einmal ein Designertraum von Modernität gewesen war, beherrschte fast das gesamte Wohnzimmer. Es stand vor dem Fenster zur Straße neben einem überraschend bequemen beige-grünen Sessel, dazwischen waren mehrere stapelbare Beistelltischchen gruppiert. Das Mobiliar des
Esszimmers bestand aus vier grauen Plastikstühlen um einen mittelgroßen quadratischen Tisch, auf dem eine Tischdecke mit Blumenmuster lag, die Emma gekauft hatte, damit man die verkratzte Platte nicht sah. Die Wände im ganzen Haus waren mattweiß, und die nackten Fußböden schrien förmlich nach Teppichen. Aber Teppichböden zu verlegen, hätte bedeutet, sich dauerhaft hier einrichten zu wollen, und wie konnte sie daran denken, Wurzeln zu schlagen und nach vorne zu schauen, wenn sie immer noch in ständiger Angst lebte? Nein, es war noch zu früh. Vielleicht eines Tages … »Okay«, sagte Emma, »das reicht.« Sie stieg die steile Treppe in den ersten Stock hinauf. Jede Stufe rief ihr ins Gedächtnis, dass in der Mad River Road ein Tag ziemlich genau wie der nächste war. Emma betrat das Schlafzimmer, warf sich auf ihr ungemachtes Doppelbett und fragte sich, warum jemand eine Straße Mad River Road nannte, wenn der betreffende Fluss meilenweit entfernt war. Angeblich hatte es früher irgendwo in der Nähe einen Nebenfluss gegeben, der jedoch längst ausgetrocknet war. Und warum überhaupt Mad River? Hatte er wütend, wild und unkontrollierbar gewirkt, und könnte man mit denselben Adjektiven vielleicht auch die Bewohnerinnen der Straße beschreiben? Ein weiteres ungelöstes Rätsel des Lebens, entschied Emma und schloss die Augen. Sie hatte dringendere Sorgen.
Ihren Sohn, um nur eine zu nennen. Sie musste etwas wegen seiner Alpträume unternehmen. Sie traten immer häufiger auf, und sie brauchte jedes Mal länger, um ihn wieder zu beruhigen. Er bestand ohnehin schon darauf, die ganze Nacht bei brennendem Licht und laufendem Radio zu schlafen. Und nicht nur das, eine Reihe unsinniger Zu-Bett-Geh-Rituale nahm täglich mehr Zeit in Anspruch. Er putzte sich dreißig Sekunden lang die Zähne, fünfzehn Bürstenstriche oben, gefolgt von fünfzehn Bürstenstrichen unten; dann spülte er den Mund mit Wasser aus, das er von links nach rechts in seinem Mund bewegte, bevor er drei Mal ausspuckte;
er berührte zwei Mal das Fußbrett seines schmalen Betts, bevor er unter die Decke schlüpfte, um anschließend an die Wand über seinem Kopf zu klopfen. Keine dieser Verrichtungen durfte ausgelassen oder in irgendeiner Weise verändert werden, weil er ansonsten die schlimmsten Konsequenzen fürchtete. Ihr Sohn fürchtete sich vor allem, dachte Emma, stöhnte laut auf und fragte sich, ob er schon immer so ängstlich gewesen war und es nur nicht gezeigt hatte.
Sicher, das letzte Jahr war nicht leicht für ihn gewesen; es war für keinen von ihnen leicht gewesen. Sie waren drei Mal umgezogen, und Dylan hatte noch immer nicht verstanden, warum sie ihr Zuhause überhaupt verlassen und alles, was vertraut und bequem war, zurücklassen mussten: seine Nana, sein Zimmer, seine Freunde, seine Spielsachen. Er fragte ständig nach seinem Vater und ob irgendwer auf ihn aufpassen würde. Außerdem mochte er ihre neuen Namen nicht, obwohl sie ihm erklärt hatte, dass sie ihn nach einer Figur aus ihrer Lieblingsserie Beverly Hills 90 210 benannt hatte. Und Emma hieß
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