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Traeume Suess, Mein Maedchen

Titel: Traeume Suess, Mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Dylan machte sich schon genug Sorgen. Warum hatte Lily nicht etwas Kinderfreundlicheres schreiben können?
    »Buddy und seine Mutter lebten in einem kleinen Haus am Rande der Stadt.«
    »Wo war Buddys Vater?«
    »Buddy hatte keinen Vater«, sagte Emma kurz angebunden.
Das Telefon klingelte. »Mach die Augen zu«, befahl Emma ihrem Sohn. »Ich bin sofort zurück.« Sie rannte in ihr Schlafzimmer und nahm den Telefonhörer beim dritten Klingeln ab. »Hallo?«
    Es war Mrs. Discala, der es furchtbar Leid tat, dass sie heute Abend doch nicht zum Babysitten kommen konnte. Sie hatte sich am Nachmittag beim Pflanzen einiger neuer Rosensträucher in ihrem Garten den Rücken verrenkt und seitdem gelegen, weil sie dachte, dass es ihr bald besser gehen würde. Aber es ging ihr nicht besser, und sie hatte gerade mit ihrem Sohn, einem Rettungssanitäter, telefoniert, der ihr geraten hatte, ein paar Schmerztabletten zu nehmen, sich ein heißes Bad einlaufen zu lassen und anschließend ins Bett zu gehen. Es täte ihr wirklich Leid, Emma in letzter Minute abzusagen, aber sie könne sich beim besten Willen nicht vorstellen, auf ein kleines Kind aufzupassen, auch nicht auf ein so braves wie Dylan. Sie könnte einfach nicht, es täte ihr Leid, entschuldigte sie sich noch einmal.
    »Das ist nicht schlimm«, sagte Emma, legte auf und brach in Tränen aus. »Verdammt!« Ihre Enttäuschung überraschte sie selbst. Sie hatte nicht geahnt, wie sie sich nach dem Austausch mit Erwachsenen gesehnt hatte, nachdem sie sich so lange dagegen abgeschottet hatte. Erst jetzt begriff sie, wie sehr sie sich auf den heutigen Abend gefreut hatte. Selbst wenn sie nur mit einem Haufen Frauen da gesessen und über ein Buch geredet hätte, das sie nie gelesen hatte.
    Was hatte sie überhaupt geritten, Lily zu erzählen, Sturmhöhe wäre eines ihrer Lieblingsbücher? Einer ihrer Lieblingstitel vielleicht, denn viel weiter war sie in dem verdammten Buch nicht gekommen. Lesen hatte auf ihrer Prioritätenliste nie ganz oben gestanden. Wahrscheinlich lag das an der gehobenen Privatschule, auf der sie gewesen war - gehoben, verlogen, verbesserte sie sich -, wo die Schüler im Rahmen einer allgemeinen Bildungsoffensive ein Buch pro Woche lesen mussten. Aber wann hatte man in Wahrheit je etwas
anderes gefördert als Egoismus und den Erhalt des Status quo? In der Bishop Lane School für Mädchen, auf der man sie widerwillig aufgenommen hatte, weil ihre Mutter zum Aufsichtspersonal gehörte, ging es weniger darum, wohin man wollte, als darum, woher man kam. Und da sie aus kleinen Verhältnissen kam, hatte man allgemein angenommen, dass aus ihr auch nichts Großes werden würde.
    Deshalb war es wahrscheinlich besser, dass der heutige Abend so ausgegangen war, dachte sie. Sie hätte sich nur in Verlegenheit gebracht, etwas Dummes gesagt und sich selbst als Scharlatan und Hochstaplerin entlarvt. Die Frauen hätten sie gemieden wie ihre Klassenkameradinnen in Bishop Lane, wenn sie erst erfahren hätten, dass sie nur ein Sozialfall war. Die Hausmeistertochter, hatten sie sie nur genannt. Und es spielte keine Rolle, dass ihr Großvater mütterlicherseits einst so reich gewesen war wie jede von ihnen. Die Eltern der anderen Mädchen hatten letzten Endes ihr Erbe nicht verspielt, ihre Väter hatten sie nicht im Stich gelassen, als das Geld ausging, und ihre Mütter waren nicht gezwungen, zwei Jobs gleichzeitig zu machen, um die erdrückende Schuldenlast abzutragen, und einen dritten dazu, um die laufenden Kosten zu decken. War es da ein Wunder, dass ihre Mutter keine Zeit gehabt hatte, ihr vorzulesen, als sie klein war? War es ein Wunder, dass ihr Leben eine einzige Abwärtsspirale falscher Entscheidungen und noch üblerer Konsequenzen war?
    Sie hatte fast dreißig Jahre lang gegen die Auffassung angekämpft, dass die Gene das Schicksal eines Menschen waren, hatte zahllose Hürden übersprungen, die ihr den Weg immer wieder aufs Neue verstellt hatten, entschlossen, ihrer vermeintlichen Bestimmung zu entrinnen. Aber welcher Straße sie auch folgte, sie gelangte letztendlich jedes Mal nur wieder zurück zum Ausgangspunkt. Vielleicht lagen die Städte Hunderte von Meilen voneinander entfernt, und die Straßen hatten andere Namen. Aber egal wie weit sie auch
fuhr und wo sie sich schließlich niederließ, am Ende landete sie immer wieder in der Mad River Road.
    Emma wischte sich die Tränen aus den Augen und atmete tief aus. Sie brauchte eine Zigarette. Ein Königreich für eine

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