Traeume Suess, Mein Maedchen
ihren Ohrläppchen und bewunderte das Ergebnis im Spiegel.
»Nun sind sie wieder da, wo sie hingehören«, sagte Brad, und Jamie musste unwillkürlich lächeln.
Er hatte Recht. Die Ohrringe waren wieder dort, wo sie hingehörten. Sie hatte mit zwei Jahren ihres Lebens dafür bezahlt. Sie hatte sich das Recht verdient, sie zu tragen.
»Sie stehen dir gut.« Er trat hinter sie und küsste ihren Hals, während er die Arme fest um ihren Brustkorb schlang. »Du siehst wunderschön aus.«
Und sie sah wirklich schön aus, dachte Jamie. Das traurige kleine Mädchen, das ihre Furcht wie einen Schleier trug, war verschwunden. An ihre Stelle war eine selbstbewusste junge Frau getreten, die Gold und Perlen trug. »Wir sollten hier verschwinden.«
»Du willst doch nicht etwa die ganzen Klunker liegen lassen?«
»Sie haben mir nie gehört«, erklärte Jamie.
»Dann gehören sie dir jetzt.« Brad ließ die Diamantmanschetten in ihre Hand fallen.
»Nein. Ich kann nicht. Ich will sie nicht.«
»Aber klar doch.«
Die kalten Steine fühlten eigenartig warm an auf ihrer Haut. Ihr war, als würden sie Löcher in ihr Fleisch brennen wie winzige Säuretropfen. Eilig legte sie sie in die Schatulle zurück. »Nein, die will ich nicht. Bitte lass uns einfach hier verschwinden.«
Brad zuckte die Achseln. »Okay. Wenn du meinst …«
»Ja, das meine ich.« Jamie verließ das Bad, aber als sie sich noch einmal umdrehte, bemerkte sie, wie Brad etwas in seine Jeanstasche stopfte. Eilig schaltete sie das Licht aus, um nichts mehr sehen zu müssen.
»Gute Nacht, Mrs. Dennison«, flüsterte Brad, als sie an ihrem Bett vorbeikamen. »Schlaf schön, alte Hexe.«
Er hat meine Wut übernommen, als wäre sie seine, dachte Jamie, fragte sich, warum, und musste sich eingestehen, dass sie sich unter anderen Umständen vielleicht sogar geschmeichelt gefühlt hätte. Erleichtert, endlich wieder frei und ohne den Druck der Angst auf der Lunge durchatmen zu können, trat sie in den Flur. Noch eine Minute, und sie würden hier raus sein. Sie konnten die Bonnie-und-Clyde-Nummer vergessen und wieder die Menschen werden, die sie in Wirklichkeit waren.
Aber wer waren sie?
Und wer war sie?
»Zeig mir dein altes Zimmer«, sagte Brad plötzlich, und seine Stimme traf Jamie wie ein Glas kaltes Wasser, das ihr jemand in den Nacken gekippt hatte.
»Was?«
»Zeig mir dein altes Zimmer«, wiederholte er und zerrte an ihrem Arm.
»Nein. Lass uns hier verschwinden.«
»Erst, wenn du mir dein Zimmer gezeigt hast.« Er setzte sich mitten im Flur im Schneidersitz auf den beigefarbenen Teppich.
»Was machst du denn, um Gottes willen? Steh auf.«
»Erst wenn du mir versprichst, dass du mir dein Zimmer zeigst.«
»Es ist bloß ein Zimmer«, erwiderte Jamie störrisch, gab jedoch nach, als deutlich wurde, dass er sich nicht rühren würde, bis er seinen Willen bekam. »Okay. Also gut. Ich zeige es dir.«
Er war sofort wieder auf den Beinen und folgte ihr von einem zum anderen Ohr grinsend den Flur hinunter.
Jamie begriff, dass das Ganze für ihn ein großes Spiel war. Er amüsierte sich. »Du denkst, das ist ein Spaß?«, fragte sie fassungslos, als sie vor ihrem alten Zimmer stehen blieb.
»Du nicht?« Brad betrat das Zimmer.
»Nein. Ich will bloß hier weg.«
»Komm schon, Jamie. Es ist ein Kick. Gib es zu.« Er fasste ihre Hand, zog sie ins Zimmer und blieb vor dem Doppelbett stehen. »Habt ihr es hier gemacht?« Er ließ sich auf die schwarz-braune Flickendecke fallen.
Hätte sie die Luft dafür gehabt, hätte Jamie gelacht. »Ja, sicher«, höhnte sie und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Mit seinen schweren dunklen Möbeln, den matten beigefarbenen Wänden, dem Teppich in einem dunkleren Braun und dem großen Flachbildfernseher an der Wand gegenüber dem Bett war es eigentlich eher ein Jungenzimmer ohne Schnörkel und ohne jede Freundlichkeit. Einmal hatte sie versucht, mit einer Klimt-Reproduktion aus einem Edelposterladen ein wenig Wärme in den Raum zu bringen. Obwohl sie sich nie groß mit Kunst beschäftigt hatte, fand sie das Bild des jungen Paares zärtlich und leidenschaftlich und hoffte, ihre Ehe damit ein wenig zu inspirieren. Sie hatte es über dem Bett aufgehängt. »Schön, nicht?«, hatte sie ihren Mann gefragt, und er hatte genickt, aber am nächsten Tag war das Poster verschwunden.
»Komm, setz dich neben mich«, sagte Brad jetzt leise.
Jamie schüttelte den Kopf. Sie wollte bloß hier weg. Das Wiedersehen mit dem
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