Träume wie Gold: Roman (German Edition)
entzückenden alten Kolonialhaus führte. Die Klinkersteine hatten im Laufe der Jahre einen sanften Rosaton angenommen, der Verputz jedoch leuchtete noch immer in einem satten Wedgwood-Blau. Große Fenster glänzten und funkelten im grellen Sonnenschein, reflektierten das Licht und verhinderten so einen Einblick in das Innere des Hauses.
Ein wunderschönes Haus, stellte Dora fest. Gut erhalten, perfekte Lage und irgendwie sehr feminin wirkend in seiner eleganten Würde. Wenn sie es für sich selbst ausgesucht hätte, hätte es nicht vollkommener sein können. Das Alter, der Baustil, die Lage, alles passte perfekt mit ihrer Vorstellung von einem idealen Familienwohnsitz zusammen.
Sie stellte sich das Anwesen im Sommer vor, wenn die Rosensträucher unter den großen Fenstern in Blüte standen und ihren schweren Duft verbreiteten. Oder im Herbst, wenn die Kronen der alten Bäume golden glänzten. Spitzenvorhänge und ein freundlicher Hund im Garten rundeten ihr Fantasiebild ab.
Und weil sie dieses Bild so klar und deutlich vor sich sah, wurde ihr plötzlich das Herz schwer. Bezweifelte sie doch stark, dass Jed das Haus mit den gleichen Augen sah wie sie.
Schweigend stieg sie aus dem Wagen, blieb stehen und ließ die Eindrücke auf sich wirken. Nur eine Ahnung von hektischen Stadtgeräuschen fand den Weg hinauf auf diesen Hügel. Hierher würden sich keine Touristen verirren, die Kamera im Anschlag auf der Jagd nach Sehenswürdigkeiten, keine Wahnsinnigen auf Rollschuhen, keine Pizzagerüche und weggeworfene Pommes-frites-Tüten.
Aber war das nicht genau das, was ihr so gefiel?, fragte sie sich. Der Krach, die Gerüche und die Freiheit, dort zu leben, wo das Leben sich abspielte?
»Das ist das Haus, in dem du aufgewachsen bist?«
»Ja.« Er ging voraus auf die Eingangstür zu, die zu beiden Seiten mit wunderschönem geschliffenem Buntglas eingefasst war. Nachdem er aufgesperrt hatte, trat er einen Schritt zurück, um Dora den Vortritt zu lassen.
In der Mitte des zweigeschossigen Foyers hing ein prächtiger Kristalllüster, der abends den Weg über die breite Eichentreppe hinauf zur Galerie stilvoll beleuchtete. Der Fußboden war mit schwarzen und weißen Marmorplatten im Schachbrettmuster ausgelegt. Doras weiche Wildlederstiefeletten verursachten kaum ein Geräusch, als sie die große Halle durchquerte.
Leere Häuser umgibt stets eine ganz eigene Faszination. Unwillkürlich stellt sich die Frage nach den Bewohnern, nach der Art und Weise, wie sie gelebt haben mochten. Vielleicht sieht man sich selbst in diesen Räumen leben.
Dora spürte diese Faszination jetzt ebenfalls, und sie fragte sich neugierig, wo Jed in diesem Meisterwerk an Architektur und Design seinen Platz gehabt hatte. Ihn konnte sie in diesen Räumen nicht spüren. Obgleich er neben ihr stand, konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe der Teil von Jed, den sie lieben gelernt hatte, vor der Türschwelle innegehalten und sie alleine eintreten lassen.
Die etwas helleren Vierecke auf der Tapete mit dem eleganten Teerosenmuster bezeichneten die Stellen, wo früher Gemälde gehangen hatten. Das leere Foyer schrie förmlich nach Blumen, dachte Dora. Nach hohen, bauchigen Vasen mit üppigen Fresiensträußen, schlanken Amphoren, aus denen stolze Lilien emporragten, einem Perserteppich auf den kalten Marmorfliesen, um die strenge Förmlichkeit des Eingangs abzumildern.
Sie strich mit der Hand über den glänzenden Endpfosten des Treppengeländers – ein Geländer, dachte sie, wie gemacht für den Hosenboden eines Kindes oder die tastenden Finger einer Frau.
»Hast du vor, es zu verkaufen?«
Er beobachtete sie sehr aufmerksam, als sie vom Foyer in den vorderen Salon schlenderte. Schon beim Betreten des Hauses hatten sich seine Nackenmuskeln verspannt. Doras Überlegungen waren richtig gewesen, Jed sah keine hübschen Blumensträuße und auch keinen Teppich.
»Ja, es steht zum Verkauf. Elaine und ich haben es Fünfundfünzig geerbt, aber sie war nie mit den Angeboten, die man uns dafür machte, zufrieden gewesen. Mich hat das im Grunde wenig gekümmert.« Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und er vergrub sie in den Tiefen seiner Jackentaschen. »Da Elaine ein eigenes Haus besaß, habe ich eine Zeit lang hier gewohnt.« Er blieb stehen, als Dora auf den sauber ausgekehrten Kamin zuging. »Jetzt gehört es mir, und die Immobilienmakler stürzen sich drauf.«
»Verstehe.« Über dem Kamin sollten eigentlich gerahmte Familienfotos
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