Träume wie Gold: Roman (German Edition)
lassen, dass sie sich ein paar Stunden verspäten würde. Nachdem Jed und Dearborne das Büro verlassen hatten, nahm sie hinter dem Schreibtisch des Sheriffs Platz. Sie lächelte und fragte sich, ob es Jed aufgefallen war, dass Dearborne ihn mit ›Captain‹ angesprochen hatte. Spätestens im Frühling würde er seine Dienstmarke zurückerhalten, vermutete Dora und fragte sich, wie ein vollkommen glücklicher Skimmerhorn wohl sein würde.
»Doras Antiquitäten- und Trödelladen, guten Tag.«
»Sie haben eine hinreißende Stimme, Süße. Schon mal an Telefon-Sex gedacht?«
Lea antwortete mit einem fröhlichen Kichern. »Ich denke an nichts anderes. Heh, wo bist du? In zehntausend Meter Höhe?«
»Nein.« Dora strich sich das Haar zurück und warf dem Beamten, der soeben mit einem Becher Kaffee und einem Stoß Akten hereingekommen war, ein nettes Lächeln zu. »Vielen Dank, Sergeant«, sagte sie, ihn absichtlich befördernd.
»Oh, so weit bin ich noch nicht, Ma’am«, erwiderte er, wurde aber ein wenig rot dabei und grinste. »Gern geschehen.«
»Sergeant?«, wiederholte Lea am anderen Ende der Leitung. »Sitzt du etwa im Gefängnis oder so was? Muss ich dich auslösen?«
»Noch nicht.« Sie nahm den Kaffeebecher und tippte abwesend mit dem Zeigefinger auf den Aktenstapel, den der Mann auf dem Schreibtisch abgelegt hatte. »Wir sind nur ein bisschen aufgehalten worden. Jed hatte hier auch noch etwas zu erledigen.« Die Leiche und die Schüsse zu erwähnen, hielt sie nicht für nötig. Absolut nicht nötig. »Wir nehmen deshalb eine spätere Maschine. Alles klar in der kalten Heimat?«
»Alles in Ordnung. Wir haben heute Morgen den Sherbourne-Sekretär an den Mann gebracht.«
»Oh.« Wie stets, wenn es sich um ihre Lieblingsstücke handelte, schwankte sie zwischen Freude und Bedauern.
»Gehandelt hat er auch nicht«, verkündete Lea stolz. »Und wie ist deine Besprechung gelaufen?«
»Besprechung?«
»Mit dem Import-Export-Menschen.«
»Hm«, meinte Dora ausweichend, »ging so. Aber ich glaube nicht, dass wir miteinander ins Geschäft kommen werden. Sein Angebot bewegt sich auf einem Preisniveau, von dem ich nur träumen kann.«
»Trotzdem hoffe ich doch, dass du deine Reise nicht für eine Zeitverschwendung hältst. Hast du wenigstens ein paar Filmstars gesichtet?«
»Nicht einen einzigen, leider.«
»Na ja. Hast ja immerhin Jed, der dir dabei Gesellschaft leistet, wenn du dich in der kalifornischen Sonne aalst.«
»Gewiss.« Sie verzichtete darauf, zu erwähnen, dass sie mit Jed mehr Zeit im Flugzeug verbracht hatte als in L.A.
»Ruf mich an, wenn du angekommen bist, damit ich weiß, dass du heil gelandet bist.«
»Geht in Ordnung, Mommy. Ich glaube nicht, dass wir es vor zehn Uhr eurer Zeit schaffen, also gerate vor elf bitte nicht in Panik.«
»Ich werde versuchen, mich zusammenzunehmen. Oh, ich sollte dich vorwarnen. Mom plant ein formloses Zusammensein, damit sie Jed auf einer persönlicheren Ebene prüfen kann. Ich dachte, du solltest das wissen.«
»Hab Dank, meine Liebe.« Seufzend schlug Dora den
Ordner auf. »Ich werde versuchen, Jed schonend …« Sie hielt den Atem an, als sie das Foto sah. Wie aus weiter Ferne hörte sie die Stimme ihrer Schwester.
»Dora? Dora? Bist du noch dran? Mist. Sind wir getrennt worden?«
»Nein.« Es fiel ihr sehr schwer ihrer Schwester zu antworten. »Entschuldige, ich muss gehen. Ich rufe dich später an.«
»Okay. Bis morgen. Guten Flug.«
»Danke. Tschüß.« Ganz bedächtig, ganz vorsichtig legte Dora den Hörer auf die Gabel. Ihre schweißnassen Hände waren eiskalt. Sie wagte kaum zu atmen, als sie erneut den Blick senkte.
Es war DiCarlo. Von seinem Gesicht war gerade noch so viel zu erkennen, dass sie ihn identifizieren konnte. Es war offensichtlich, dass er keinen schönen Tod gehabt hatte, nicht leicht gestorben war. Sie schob das oberste Bild beiseite und starrte auf das nächste. Dora wusste jetzt, wie ungeheuer grausam der Tod sein konnte. Selbst Dutzende von Horrorfilmen hatten sie nicht auf diese grässliche Realität vorzubereiten vermocht. Sie konnte sehen, wo die Kugeln eingedrungen waren, wo die wilden Tiere sich an seinem Fleisch gelabt hatten.
Sie konnte nicht aufhören, dieses Bild anzustarren, war nicht fähig, den Blick abzuwenden. Das Summen in ihrem Kopf schwoll zu einem infernalischen Getöse an. Sie konnte selbst dann nicht wegsehen, als das Bild vor ihren Augen verschwamm.
Jed unterdrückte einen Fluch, als er ins Büro
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