Träume wie Gold: Roman (German Edition)
Schicksal nicht schon wieder einen üblen Streich spielte, und er aus irgendeinem unerfindlichen Grund doch die falsche Figur auf seinem Schoß warm hielt. Seiner Ansicht nach sah diese hier genauso aus wie die Figur, die in seiner Gegenwart bei Premium in die Kiste gepackt worden war.
»Mr. DiCarlo?«, meldete sich die Empfangsdame. »Mr. Finley lässt bitten.«
»Ah, richtig. Selbstverständlich.« DiCarlo erhob sich, klemmte sich die Statue unter den Arm und rückte mit der freien Hand den Knoten seiner Krawatte zurecht. Er folgte der Blondine durch die Doppeltüren aus massivem Mahagoniholz und zwang ein freundliches Lächeln auf sein Gesicht.
Finley behielt hinter seinem Schreibtisch Platz und beobachtete zufrieden, wie DiCarlo sichtlich nervös über den schneeweißen Teppichboden ging. Mit einem kalten Lächeln registrierte Finley die Schweißperlen auf DiCarlos Oberlippe.
»Mr. DiCarlo, Sie haben in dem großartigen Staat Virginia aufgeräumt, wie ich höre?«
»Ja, dort ist alles erledigt.«
»Exzellent.« Mit einer Handbewegung wies er DiCarlo an, die Figur auf seinen Schreibtisch zu stellen. »Und mehr haben Sie mir nicht mitgebracht?«
»Ich habe außerdem eine Liste dabei, auf der die anderen
Objekte vermerkt sind sowie ihr momentaner Aufenthaltsort.« DiCarlo zog sie aus der Jackentasche. »Wie Sie sehen, wurden die anderen Stücke von nur vier verschiedenen Käufern ersteigert. Zwei davon sind ebenfalls Händler. Ich denke, es sollte eine Kleinigkeit sein, in die jeweiligen Läden zu gehen und die Sachen zurückzukaufen.«
»Sie denken?«, zischte Finley mit gefährlich leiser Stimme. »Wenn Sie denken könnten, Mr. DiCarlo, befände sich meine Ware bereits in meinem Besitz. Wie auch immer«, fuhr er fort, als DiCarlo schwieg, »ich bin bereit, Ihnen Gelegenheit zu geben, sie persönlich auszulösen.«
Er stand auf und fuhr mit dem Zeigefinger über das etwas zu liebliche Gesicht der weiblichen Figur. »Ein unglückseliges Stück Arbeit. Ziemlich scheußlich, finden Sie nicht?«
»Doch, Sir.«
»Und dieser Mann, dieser Ashworth, hat mit seinem guten Geld dafür bezahlt. Erstaunlich, nicht wahr, was Leute für einen schlechten Geschmack haben? Ein kurzer Blick der genügt, um zu erkennen wie krumm die Linien, wie schlecht die Farben und wie billig das Material ist. Nun ja, ›Schönheit ist nur oberfächlich‹, so sagt man doch.« Er nahm den unbenutzten, weißen Marmoraschenbecher von seinem Schreibtisch und köpfte damit die Tänzerin.
DiCarlo, der nur wenige Stunden zuvor kaltblütig zwei Männer umgebracht hatte, zuckte zusammen, als Finley auch dem Tänzer den Kopf abschlug. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, beobachtete er wie Finley anschließend den Figuren die Arme und Beine abbrach.
»Eine viel zu hässliche Hülle«, murmelte Finley, »um wahre Schönheit zu verbergen.« Aus dem Inneren der Figur förderte er einen schmalen, in Plastikfolie eingeschlagenen Gegenstand heraus. Behutsam wickelte er ihn aus und gab dabei so sinnliche Laute von sich, als handelte es sich um seine Geliebte.
Was unter der Plastikfolie zum Vorschein kam, sah für DiCarlo wie ein goldenes Feuerzeug aus, reichlich verziert und mit Edelsteinen besetzt. Für seinen Geschmack war
der Gegenstand nicht weniger hässlich als die Statue, die ihn beherbergt hatte.
»Wissen Sie, was das ist, Mr. DiCarlo?«
»Eh, nein, Sir.«
»Es ist ein Etui.« Finley lachte, als er liebevoll über das schimmernde Gold strich. In diesem Augenblick war er richtig glücklich – ein Kind mit einem neuen Spielzeug, ein Mann mit einer neuen Geliebten. »Was Ihnen selbstverständlich nichts sagt. In diesen kleinen Etuis hat man früher Sets für Maniküre oder Nähzeug aufbewahrt, vielleicht auch Stiefelknöpfe oder Tabaklöffel. Ein hübsches kleines Ding, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts aus der Mode kam. Dieses spezielle Stück hier ist jedoch insofern etwas Besonderes, als es aus hochkarätigem Gold gearbeitet und mit Edelsteinen – Rubine, Mr. DiCarlo – besetzt ist. Und es trägt eine Gravur.« Mit einem verträumten Lächeln drehte er das Etui um. »Es war ein Geschenk von Napoleon an Josephine. Und jetzt gehört es mir.«
»Das ist großartig, Mr. Finley.« DiCarlo war zutiefst erleichtert, dass er die richtige Figur gefunden hatte, und dass sein Boss zufrieden zu sein schien.
»Finden Sie?« Finleys smaragdfarbene Augen blitzten auf. »Dieses nette Dingelchen ist nur ein Teil meines Eigentums, Mr. DiCarlo.
Weitere Kostenlose Bücher