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Traeume wie Samt

Traeume wie Samt

Titel: Traeume wie Samt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jayne Ann Krentz
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in Betracht zu ziehen. Geschweige denn zu akzeptieren, daß er tatsächlich darüber verfügte.
    Realistisch sein bedeutete, Geduld zu haben, während Harry darum kämpfte, die beiden völlig gegensätzlichen Teile seines Ichs in sich zu vereinen. Sein Talent für die logische Rechtfertigung seiner Situation war verblüffend, dachte Molly bitter. Mit der echten Geschicklichkeit eines Trevelyan brachte er es fertig, seinen sechsten Sinn gelegentlich anzuzapfen, ohne vor sich selbst zugeben zu müssen, daß er ihn besaß. »Einsicht« nannte er das Ergebnis.
    Einsicht. Wirklich eine starke Untertreibung, dachte Molly. Wie Harrys sechster Sinn auch immer beschaffen sein mochte, handelte es sich dabei um wesentlich mehr als um logisch begründbare Einsicht. Auf einer Ebene wußte er das auch. Und dieses Wissen quälte ihn.
    Molly sah ihre Beziehung mit Harry schonungslos und schmerzhaft realistisch. Daran zweifelte sie nicht. Realistisch zu sein bedeutete zu akzeptieren, daß sein Talent ihn für immer daran hindern könnte, das Gefühl der Liebe in der gleichen Weise zu erleben wie andere Menschen.
    Molly war absolut sicher, daß sie durch ein Band miteinander verbunden waren, und sie bezweifelte nicht, daß Harry dies ebenfalls wußte. Der tiefe Hunger in ihm war nicht zu leugnen, genau wie die Befriedigung, die sie zusammen fanden. Aber wie Harry dieses Band interpretierte, konnte Molly nicht einmal andeutungsweise ahnen.
    Sie würde viel darum geben, die Situation etwas unrealistischer sehen zu können. Schließlich war sie dabei, einen Mann zu heiraten, der noch mit keinem Wort von Liebe gesprochen hatte. Natürlich hatte sie ihm ebenfalls nicht gesagt, daß sie ihn liebte.
    Venicia schien Mollys gedankliche Abwesenheit nicht zu bemerken. »Die Sache liegt so«, fuhr sie mit lauter Stimme fort. »Du bist nicht gerade arm, Molly. Ich sage es nicht gern, meine Liebe, aber eine Frau in deiner Lage muß die Absichten eines Mannes ernsthaft prüfen, bevor sie sich zu einer Heirat entschließt. Aus deiner Erfahrung mit Gordon Brooke hast du diese Lektion sicher gelernt.«
    »Du lebst auch nicht gerade unter der Armutsgrenze, Venicia. Aber du scheinst dir wegen Cutters Interesse an dir keine Sorgen zu machen.«
    »Das ist etwas anderes, und du weißt es. Cutter selbst ist ziemlich wohlhabend. Die Jacht und das Haus auf Mercer Island hast du gesehen. Er lebt in gesicherten Verhältnissen.«
    »So wie Harry.«
    »Ich weiß, daß er zu den Strattons gehört, aber du hast Cutter auch sagen hören, daß er nichts von dem Geld erben wird.«
    »Harry will das Geld der Strattons nicht. Er besitzt selbst genug.«
    »Du meinst von seinen Büchern und den Beratungshonoraren? Meine Liebe, das wird ihn kaum zu einem wohlhabenden Mann machen. Er schreibt wissenschaftliche Werke, keine Bestseller, die verfilmt werden. Ich bin sicher, daß die Beratungsaufträge nach gängigen Maßstäben gut bezahlt sind, aber sein Einkommen kann kaum mit deinen Einkünften verglichen werden. Du bist eine sehr wohlhabende Frau, Molly.«
    »Nur wenn man die Geldanlagen der Abberwick-Stiftung mitrechnet.«
    »Die sind kaum zu ignorieren. Du kontrollierst diese Gelder, meine Liebe. Und genau da liegt das Problem. Daß Cutter und ich uns Sorgen machen mußten, Trevelyan könnte mit überhöhten Honorarforderungen bei der Stiftung absahnen wollen, war schlimm genug. Nun müssen wir uns ernsthaft fragen, ob er dich vielleicht nur heiratet, um Zugriff auf die Erträge der Stiftung zu bekommen.«
    »Beruhige dich«, sagte Molly. »Harry hat nicht direkt auf eine Heirat gedrängt. Genaugenommen hat er mich noch nicht einmal gefragt, ob ich ihn heiraten will.«
    Venicia wirkte verblüfft. »Hat er nicht?«
    »Ich habe ihm einen Antrag gemacht«, erklärte Molly. »Und es war nicht leicht. Ich mußte die entsprechende Antwort regelrecht aus ihm herauslocken.« Harry mochte eine ungewöhnliche Begabung dafür besitzen, unter die Oberfläche zu blicken, dachte Molly. Aber in mancher Hinsicht war er blind wie eine Fledermaus.
     
    »Das glaube ich nicht. Du willst ihn heiraten?« Tessa machte ein ebenso verblüfftes Gesicht wie Venicia. »Ich dachte, es sollte nur eine Affäre oder etwas in der Richtung sein.«
    »Die Dinge ändern sich.« Molly öffnet den Post Intelligencer, der vor ihr auf dem Schreibtisch lag, und begutachtete die Anzeige für Abberwick Tea & Spice. »Es sieht großartig aus. Genau die richtige Stelle. Direkt neben dem Artikel über die positiven

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