Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traeume, zart wie Seide

Traeume, zart wie Seide

Titel: Traeume, zart wie Seide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Bird
Vom Netzwerk:
Kleidung.
    Und natürlich befand sich ein Mann an ihrer Seite. Er war eine ältere Ausgabe des Typs, auf den sie immer schon geflogen war – gut aussehend, wohlerzogen, ihr ergeben.
    „Hallo Mutter. Möchtest du mir deinen Freund vorstellen?“
    „Das ist Stuart. Stuart, mein Sohn Gray.“
    Gray nickte, gab dem Mann aber nicht die Hand.
    „Sehr erfreut. Und jetzt müsst ihr beiden Turteltäubchen mich entschuldigen, ich bin in Eile.“
    „Grayson, einen Moment bitte.“
    Seine Mutter trat einen Schritt auf ihn zu.
    „Hast du nichts Besseres zu tun?“, fragte Grayson schneidend mit einem Seitenblick auf Stuart.
    Belinda streichelte ihrem Begleiter die Wange. „Liebling, entschuldigst du uns einen Moment?“
    Stuart lächelte, küsste sie auf den Mund und ging.
    Wahrscheinlich apportiert er auch die Zeitung, bringt ihr die Pantoffeln und beißt den Briefträger, dachte Gray.
    „Wie geht es deinem Vater?“, fragte Belinda leise.
    „Wieso interessiert dich das?“
    „Ich weiß, dass er krank war. Natürlich will ich wissen, wie’s ihm geht.“
    „Tja, dann musst du jemand anders fragen.“ Gray wandte sich ab und ging, in der Hoffnung, sie damit loszuwerden. Als er ihre Schritte hinter sich hörte, beschleunigte er sein Tempo.
    „Grayson“, zischte sie.
    Er blieb stehen, sah sich um und trat hinter eine breite Säule. „Was ist denn noch?“
    „Nur weil dein Vater und ich Schwierigkeiten hatten, musst du mich doch nicht hassen.“
    Gray steckte die Hände in die Taschen. Dieses Thema hing ihm wirklich zum Hals raus, und trotzdem ließ er sich immer wieder darauf ein, wenn sie sich irgendwo zufällig begegneten. Belinda versuchte, ihn zu der Zusage zu bewegen, dass er ihr verziehen hatte. Er dagegen ließ sie seinen Ärger spüren.
    „Interessant, was du so unter ‚Schwierigkeiten‘ verstehst“, entgegnete er kühl.
    „Dein Vater und ich haben von Anfang an nicht gut zusammengepasst.“
    „Ja, das kann ich mir vorstellen. Er suchte eine Frau, aber du warst eine Hure.“
    Sie erstarrte. „Das muss ich mir von dir nicht sagen lassen.“
    „Dann hör auf, mir nachzulaufen.“
    „Du bist genauso schlimm wie dein Vater. Mit euch kann man nicht vernünftig reden.“
    „Dann lass es doch einfach. Ich bin sowieso spät dran.“
    Offenbar hörte sie ihm gar nicht zu. „Du solltest dir kein Urteil über die Beziehungen anderer erlauben.“
    „Tja, aber ihr seid nun mal meine Eltern. Ich musste das ausbaden, was du meinem Vater angetan hast, also habe ich wohl ein Recht auf ein Urteil.“
    „Er hat mich nie geliebt“, klagte Belinda.
    „Da irrst du dich.“
    „Ich war erst neunzehn, als wir geheiratet haben, und er zwölf Jahre älter. Er interessierte sich nur für seine Bücher und seine Karriere. Mich hat er mit dir monatelang allein in Saranac Lake sitzen lassen, wenn er in Washington war.“
    „Allein warst du nie, Mutter.“
    Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie er sie als Dreizehnjähriger mit einem Mann im Bootshaus überrascht hatte. Seine ganze Teenagerzeit über hatte er sich für seine Mutter geschämt. Er hatte ihr Geheimnis bewahrt, sogar seinen Vater für sie angelogen. Oder ihr Zettel unter der Schlafzimmertür durchgeschoben, wenn sie gerade mit einem anderen im Bett war und sein Vater sich überraschend ankündigte. Ekelhaft.
    Als Belinda etwas erwidern wollte, hob er die Hand. „Ich habe keine Lust auf dieses Gespräch“, sagte er. „Auf Wiedersehen, Mutter.“
    „Ich denke an dich“, sagte sie bittend und hielt ihn am Arm fest.
    Angewidert machte er sich los. „Und ich denke leider auch an dich. Ständig sogar.“
    Er stürmte hinaus und bahnte sich einen Weg durch die Fußgänger auf dem Bürgersteig. Als seine Limousine herankam, stieg er ein. Erst jetzt bemerkte er, dass er die Hände in den Taschen zu Fäusten geballt hatte.
    Auf der kurzen Fahrt gelang es ihm nicht, seine aufgewühlten Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Seine Mutter schaffte es immer noch, dass er sich wie ein kleiner Junge fühlte. In diesem Zustand sollte er sich den an die hundert Partygästen lieber nicht stellen. Dennoch stieg er vor Allison und Rogers Gebäude aus, drehte dann aber noch in der kühlen Nachtluft ein paar Runden um den Block.
    Als er sich besser fühlte, betrat er das Haus und stieg in den Fahrstuhl. Doch schon, als er das Penthouse betrat, wurde ihm klar, dass er sich selbst belog. Das Stimmengewirr, das leise Gläserklirren, die ganz Atmosphäre von höflicher Angeberei und

Weitere Kostenlose Bücher