Traeume, zart wie Seide
Selbstdarstellung verursachten ihm Übelkeit.
Er wollte sofort wieder gehen, doch in diesem Augenblick begrüßte ihn Cassandra. „Gray! Ich hab bei dir angerufen. Joy ist hier …“
Ihm stockte der Atem. „In der Stadt?“
„Ja. Und auf dieser Party. Sie …“
„Wo?“
Er ließ den Blick durch den Raum schweifen und hielt Ausschau nach ihrem rotblonden Haar. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, und obwohl er sich albern vorkam, hatte er unglaubliche Sehnsucht danach, sie zu sehen. Besonders heute Abend.
„Vielleicht ist sie in der Bibliothek“, murmelte Cassandra, die seinem Blick gefolgt war. „Ich glaube, sie wollte sich die Bücher ansehen.“
Gray kannte sich in dem Penthouse aus und bahnte sich einen Weg durch die Gästeschar, so schnell er konnte, ohne unhöflich zu wirken. Auf dem Flur begegnete ihm Roger Adams.
„Wir haben uns schon gefragt, wo du bleibst“, begrüßte ihn der Senator lächelnd. „Hast du schon Wright getroffen? Er ist drüben an der Bar.“
Finster betrachtete Gray den Mann, den er so gut zu kennen glaubte. Die Begegnung mit Belinda hatte ihn wütend gemacht, und Roger bekam das nun zu spüren.
„Wir müssen uns unterhalten“, sagte er scharf.
„Was ist denn passiert?“, fragte Roger überrascht.
In dem Moment entdeckte Gray Allison, die sich in der Nähe mit jemandem unterhielt. Die Frau warf ihm eine Kusshand zu.
„Du siehst nicht gut aus“, bemerkte Roger. „Komm, lass uns in mein Arbeitszimmer gehen.“
„Nein, nicht heute Abend. Und nicht hier“, wehrte Gray ab.
„Na gut“, erwiderte Roger zögernd. „Ich bin ab morgen wieder in Washington. Ist alles in Ordnung?“
„Ich komme in deinem Büro vorbei.“
„Was ist denn nur los?“
„Anna Shaw ist los. Und ich rede nicht über die Interna, über die sie in ihren Artikeln schreibt.“
„Oh Gott.“ Der Senator wurde erst blass und dann puterrot. Auf seiner Stirn glänzten feine Schweißperlen. „Hör zu, ich …“
„Nein, spar dir das. Wir reden unter vier Augen darüber, nicht, wenn deine Frau in Hörweite ist.“
Gray ließ den Mann einfach stehen und ging weiter. Auf keinen Fall durfte Allison auf diese Weise davon erfahren. Und Ehebruch war kein Thema, über das er ausgerechnet heute Abend ruhig reden konnte.
Auf dem Weg in die Bibliothek grüßten ihn noch einige andere Leute, aber er blieb nicht mehr stehen. Seine Geduld war erschöpft. Die Eskapaden seiner Mutter, Rogers Ehebruch … er ertrug diese Gedanken einfach nicht mehr.
Wahrscheinlich sollte er die Party wirklich einfach verlassen, aber er wollte nicht gehen, ohne Joy gesehen zu haben. Er brauchte …
Wenn er sich über seine Gefühle im Klaren gewesen wäre, hätte er vielleicht sogar gewusst, was er von ihr brauchte. So aber wollte einfach nur im selben Raum mit ihr sein. Ihr in die Augen schauen. Dieselbe Luft atmen wie sie.
Die Tür der Bibliothek stand halb offen, und er zögerte. Was, wenn sie ihn gar nicht sehen wollte?
Sie stand vor einem Regal, den Kopf in den Nacken gelegt, und strich mit den Fingerspitzen über einen ledergebundenen Buchrücken. Das schwarze Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper. Wieder trug sie Sandaletten mit schwindelerregend hohen Absätzen.
Gray schaute sich im Raum um und erwartete halb, einen anderen Mann zu sehen. Doch sie war allein, als hätte sie sich hierher zurückgezogen, um all den fremden Leuten draußen zu entkommen. Im Hintergrund spielte klassische Musik, und die Atmosphäre war ruhig und entspannt.
Am liebsten hätte er sich hier mit ihr eingeschlossen. Sie im Arm gehalten. Frieden gefunden.
Er wollte gerade eintreten, als jemand an ihm vorbeiging.
„Bennett, wie geht es Ihnen?“
Es war Charles Wilshire, einer der angesehensten Steuerberater der Stadt. Er hielt zwei Weingläser hoch. „Ich würde Ihnen die Hand schütteln, aber ich bringe der Lady gerade etwas zu trinken.“
Stirnrunzelnd beobachtete Gray von der Tür her, wie Wilshire zu Joy ging. Sie nahm mit einem Lächeln das Glas, das er ihr anbot. Ihre Hände berührten sich dabei.
Gray wandte sich ab.
„Sie wollten mir gerade erzählen, wie lange Sie Cassandra schon kennen.“
Joy nahm einen kleinen Schluck Wein. Der Mann vor ihr sah in seinem dunkelblauen Anzug sehr distinguiert aus und passte damit zum Rest der Partygäste. Sie alle verfügten über so viel Geld und Einfluss, dass man geradezu geblendet wurde.
„Noch nicht sehr lange“, erwiderte sie. „Ich habe ein Kleid für
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