Traeume, zart wie Seide
nicht.
„Ich vermisse dich auch.“
„Oh, und noch eins …“
„Ja?“
„Ich werde heute Nacht von dir träumen“, sagte er, dann legte er auf.
Als sie an den Tisch zurückkehrte, konnte sie ihr Strahlen nicht verbergen.
„Was war das denn jetzt?“, fragte Frankie neugierig.
„Ach, nichts.“
„Ja, von wegen“, sagte Nate stirnrunzelnd. „Ist Bennett hinter dir her? Falls ja, sollte er vorher erst mal solide werden.“
„Ich dachte, du magst ihn?“, fragte Joy verunsichert.
„Tu ich ja auch. Aber ich kenne ihn zu gut. Der Mann ist ein Schürzenjäger.“
Joy dachte an Grays geradezu frustrierende Selbstbeherrschung. „Bei mir war er immer der perfekte Gentleman.“
Zu dumm, dass sie das sehr schade fand.
Nate nickte grimmig. „Das will ich ihm auch geraten haben. Wenn er dir Kummer macht, bekommt er es mit mir zu tun.“
„Und mit mir“, echote Spike.
Joy lachte, aber als sie später im Bett lag, kam ihr Nates Bemerkungen gar nicht mehr so komisch vor. Hatte Gray sich wirklich schon eine andere geangelt? Das konnte sie sich kaum vorstellen, aber vielleicht kannte sie ihn ja wirklich nicht gut genug.
Die folgende Woche verbrachte Joy damit, Skizzen für die neuen Aufträge zu machen, Grand-Em zu beschäftigen und darauf zu warten, dass Gray anrief. Auf Letzteres war sie nicht besonders stolz, aber wenigstens wartete sie nicht vergeblich. Er meldete sich jeden Morgen und Abend, ohne Ausnahme.
Immer fragte er sie, was sie machte, wie es mit den Kleidern lief und ob es ihrer Familie gut ging. Manchmal erklangen im Hintergrund Flughafengeräusche, Stimmengewirr oder Straßenlärm. Er erzählte nie, was er gerade zu tun hatte oder wo er war – und das erinnerte Joy schmerzhaft daran, dass sie von ihrer „Beziehung“ vielleicht zu viel erwartete.
Dass er nach Saranac Lake kommen wollte, erwähnte er auch nicht mehr.
Am Donnerstag wurde Alex operiert, und es verlief soweit alles gut. Dennoch war die Anspannung im White Caps spürbar. Joy vermisste es vor allem, überhaupt keine Zeit mehr für sich allein zu haben, wie sie es aus New York jetzt gewohnt war. Deshalb überredete sie Nate und Frankie, am Freitagabend auszugehen. Spike verbrachte seinen freien Abend ebenfalls woanders, und Joy schaffte es, Grand-Em früher als sonst zum Einschlafen zu bringen.
Endlich allein! Sie atmete tief durch und genoss die Stille, die sich über das Haus gelegt hatte. White Caps blieb während der Wintersaison geschlossen, und im Speisesaal waren alle Tische und Stühle zur Seite geräumt, weil der Teppich shampooniert werden sollte. In der Bibliothek, die den Gästen als Aufenthaltsraum diente, stand dagegen alles an seinem Platz. Hier hatte sich seit ihrer Kindheit wenig verändert, und sie zündete im Kamin ein Feuer an und kuschelte sich in den alten Ohrensessel ihres Vaters.
Während sie den Blick durch den Raum schweifen ließ, stiegen alte Erinnerungen in ihr auf. Jetzt kam es ihr vor, als läge New York mit seinem hektischen Treiben auf einem anderen Planeten. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sie schon bald wieder hinfahren würde. Tief in Gedanken versunken starrte sie ins Feuer. War sie nun wieder die alte Joy, oder versteckte sich ihr neues Selbst nur?
Als ihr eine Weile später der Magen knurrte, ging sie in die Küche, um sich etwas von Nates Schmorfleisch aufzuwärmen. Den neuen Herd einzuschalten und die richtige Temperatur einzustellen erwies sich als Herausforderung. Das Ding hatte so viele Knöpfe und Schalter, dass sie sich wie in einem Flugzeugcockpit vorkam.
Als sie die Gasflamme endlich auf die niedrigste Stufe gebracht hatte, setzte sie den Topf auf und ging in die Bibliothek zurück, wo sie ein weiteres Scheit aufs Feuer legte. Als sie sich gerade wieder aufrichtete, hörte sie ein Klopfen aus Richtung Küche.
Sie lief hin und sah durch die Scheibe der Hintertür einen dunklen Schatten. Hastig schaltete sie die Außenbeleuchtung an – und schrie überrascht auf.
„Gray!“ Sie schloss auf und öffnete die Tür. „Was machst du denn hier?“
Er wirkte erschöpft. Sein Nadelstreifenanzug sah zerknittert aus, der Hemdkragen stand offen, die Krawatte war gelockert. Müde schaute er sie an.
„Ich musste dich sehen.“
Ohne zu überlegen, schloss sie ihn in die Arme. Sie spürte, wie er sich kurz versteifte, dann die Umarmung aber erwiderte.
„Ich sitze gerade gemütlich vor dem Kamin“, erzählte sie. „Magst du dich ein bisschen aufwärmen?“
„Klingt
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