Traeume, zart wie Seide
verstand sie voll und ganz. Obwohl ihr Verstand ihr sagte, dass es besser wäre, wenn sie ihn in die Wüste schickte, spielte ihr Herz bei dem Gedanken völlig verrückt.
„Was muss ich tun, damit du mir vertraust?“, flüsterte sie.
„Darum geht es doch gar nicht.“
„Und ob es darum geht!“
„Nein. Ich will dich. Das reicht.“
Nachdem er gegangen war, ließ sie sich aufs Bett sinken. Wie konnte sie ihm begreiflich machen, was sie meinte? Sie musste spüren, dass er ihr vertraute, sonst konnte sie nicht mit ihm zusammen sein.
Sie waren wirklich keinen einzigen Schritt weitergekommen.
Am darauffolgenden Wochenende heirateten Frankie und Nate auf dem Standesamt. Joy und Spike waren die Trauzeugen der relativ nüchternen Zeremonie. Es gab keine anderen Gäste, keinen Empfang, keine Feier. Frankie trug einen Hosenanzug, weil das Kleid, das Joy so liebevoll genäht hatte, beim Brand Schaden genommen hatte.
Trotzdem wirkte das Brautpaar vollkommen glücklich, und die beiden strahlten um die Wette. Danach gingen sie zu viert in den Silver Diner, einen zum Restaurant umgebauten alten Eisenbahnwaggon, und fuhren dann zu Grays Haus zurück.
Libby richtete Joy aus, dass sie Grays Anruf verpasst hatte. Wie schon die Woche zuvor, meldete er sich jeden Morgen und jeden Abend, aber jetzt sah sie die Anrufe in einem anderen Licht. Es wirkte fast, als wolle er sie kontrollieren.
Als sie später in seinem Bett lag, klingelte das Telefon auf dem Nachttisch. Zuerst wollte sie abnehmen, doch dann fiel ihr ein, dass dies Grays Privatleitung war. Sie wollte lieber nicht wissen, wer so spät in der Nacht noch bei ihm anrief. Immerhin hatte er ihr gesagt, dass es ihm egal war, wenn sie mit jemand anders ausging. Vielleicht nahm er sich diese Freiheit jetzt auch?
Sie zog sich die Decke über den Kopf und ignorierte das Geräusch, das nach dem vierten Mal wieder verstummte.
Gray klappte sein Handy zu und fluchte leise. Entweder ging Joy nichts ans Telefon, oder sie war nicht zu Hause. Dabei war es nach Mitternacht.
Warum zum Teufel hatte er ihr auch gesagt, dass es ihn nicht kümmerte, wenn sie mit anderen ausging? Der Gedanke trieb ihn fast die Wände hoch.
Und statt bei ihr zu sein, stand er hier auf einer dieser unsäglichen Partys herum. Diesmal hatte John Beckin eingeladen, der Mann, der ihn auf die Affäre zwischen Roger Adams und der Reporterin aufmerksam gemacht hatte. Und da Beckin ein alter Freund seines Vaters war, hatte er schlecht absagen können.
Vielleicht sollte er diesem Elend endlich ein Ende machen und Joy sagen, dass er wirklich mit ihr zusammen sein wollte. In einer richtigen Beziehung. Doch allein der Gedanke daran verursachte ihm Panik. Was war es nur, das ihm solche Angst machte?
Tief in Gedanken versunken ging er in dem Kaminzimmer, in das er sich zurückgezogen hatte, auf und ab. Dabei fiel sein Blick auf ein gerahmtes Foto an der Wand – eine Aufnahme, auf der Roger und Allison Adams zusammen mit John Beckin zu sehen waren. Das Foto musste mindestens zwanzig Jahre als sein. Roger und Allison schauten in die Kamera, während Beckin schräg hinter Allison stand und sie ansah. Anstarrte, genauer gesagt. Völlig verliebt und entrückt von der Welt.
Die Erkenntnis durchzuckte Gray wie ein Blitz, und das darauffolgende Gefühl war alles andere als angenehm. Beckin hatte ihn benutzt.
„Ach, hier sind Sie“, sagte eine Stimme von der Tür her. Wie aufs Stichwort erschien Beckin auf der Bildfläche. „Wir dachten schon, Sie wären gegangen.“
„Sie sind hinter ihr her“, sagte Gray und deutete auf das Foto.
„Wie bitte?“
„Allison Adams. Sie wollten sie damals schon, und Sie wollen sie immer noch. Deshalb haben Sie mich auf Rogers Affäre angesetzt. Sie wollten sichergehen, dass Allison davon erfährt und ihn verlässt – damit die Bahn für Sie frei ist.“
Beckin senkte den Blick. „Das ist doch Blödsinn.“
„Sie wissen, dass ich den beiden nahestehe und Allison sehr schätze. Sie haben damit gerechnet, dass ich Roger zwinge, es ihr zu sagen – oder es sogar selbst tue. Das war ein ausgeklügelter Schachzug, Beckin – aber ich mag es gar nicht, eine Spielfigur zu sein.“
„Sie hat den Falschen geheiratet. Schon im College hat er sie betrogen. Er verdient sie gar nicht“, stieß Beckin hervor.
„Aber Sie schon? Sie haben mich die Drecksarbeit machen lassen. Ehrenhaft ist das auch nicht gerade.“
Angewidert ging Gray zur Tür, doch Beckin hielt ihn auf. „Das wird
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