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Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)

Titel: Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Potter
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auf der Couch zusammenrollen und dazu die neueste Folge von Oprah sehen, die Robyn aufgenommen hat; die mit dem Mann, der einen Grizzlybären geheiratet hat. Ich musste lachen, als Robyn mir davon erzählt hat, aber inzwischen wäre mir fast alles recht.
    Mit einem gewaltigen Gähnen trotte ich wieder in den Flur, wo mein Blick auf ein Bücherregal fällt. Das ist mir vorhin gar nicht aufgefallen, aber wie alles andere in der Wohnung ist es noch vollkommen leer. Gleich daneben stehen ein paar halbgeöffnete Pappkartons. Bestimmt sind da die Bücher drin, überlege ich, knie mich hin und klappe den Deckel eines Kartons zurück, um hineinzuspähen.
    Wobei es da nicht viel zu sehen gibt.Wie erwartet sind die Kartons voller Bücher. Gedankenverloren nehme ich ein paar politische Autobiografien heraus, etliche Reiseführer, einige eselsohrige John-Grisham-Romane, ein Buch über Renaissancemaler …
Ich stutze. Plötzlich ist mein Interesse geweckt. Es ist ein ziemlich schwerer Bildband, den ich herausziehe. Ich lege ihn mir in den Schoß und blättere ein wenig darin herum. Michelangelo, Leonardo da Vinci, Botticelli …
    Mein Blick springt von einem Bild zum nächsten. Fast kommt es mir vor, als schaute ich mir ein Album mit Fotos von alten Bekannten an. Bei den einen fasziniert mich die Pinselführung, bei anderen ist es das Licht; manche finde ich ein bisschen zu rührselig, andere sind mir zu fromm.
    Dann blättere ich um, und mir bleibt fast das Herz stehen.
    Porträt eines Musikers von Tizian.
    Ich starre das Gesicht an, das mir da entgegenschaut, und mit einem Mal bin ich wieder da, wo ich dieses Gemälde zum ersten Mal gesehen habe. Ich war neunzehn und schlenderte gerade durch die Galleria dell’Accademia in Venedig, bewaffnet mit einem Museumsführer und dem obligatorischen Kopfhörer, der natürlich nicht funktionierte, als ich quasi über das Bild stolperte, das im hintersten Winkel des Museums in einer dunklen Ecke versteckt war.
    Es war Liebe auf den ersten Blick.
    Die langen, dunklen, verstrubbelten Haare, die nachlässig aus dem Gesicht gestrichen sind; Bart und grüblerische Augen, schwermütiges Gesicht, hohe Stirn und unverwandter Blick. Er war zweifellos einer der attraktivsten Männer, die ich je gesehen hatte.
    Und noch dazu ein Musiker! Das war mal wieder typisch für mich. Ich hatte immer schon eine ausgesprochene Schwäche für Musiker. Ich brauche bloß einen Mann mit Gesichtsbehaarung und einer Gitarre zu sehen, und schon ist es um mich geschehen. Evan Dando von den Lemonheads, der tragische Kurt Cobain, sogar Thom Yorke von Radiohead; sie alle sorgen bei mir augenblicklich für butterweiche Knie.
    Mein Kopf spult in Gedanken zurück zu diesem Tag. Ich
weiß noch, als sei es gestern gewesen, wie ich da in dem kleinen Sonnenflecken stand und ihn unverwandt anschaute und dachte, jetzt habe ich den idealen Mann gefunden, wie schade, dass er nicht echt ist. Das gehörte zu meinem Studium der Kunstgeschichte – nicht das Männeranschmachten, sondern Venedig in all seinen Facetten. Ich war zwar erst seit ein paar Tagen da, aber ich hatte mich schon unzählige Male Hals über Kopf verliebt – in einen riesigen Teller Trüffel-Pasta, in die ausgeblichenen ockergelben Häuser und die atemberaubenden Piazze, in das Geräusch des Wassers, das in sanften Wellen gegen die Kanalbegrenzung schwappte …
    Und nun also auch in dieses Gemälde.
    »Ziemlich cooler Kerl, was?«
    Erst als ich diese Stimme hinter mir hörte, riss ich den Blick widerwillig von dem Bild los. Sonst würde ich vielleicht heute noch dastehen und Tizians Kunstfertigkeit als Maler bestaunen und in der köstlichen Kühle der Galerie schwelgen, in die ich aus der brütenden Mittagshitze draußen geflüchtet war. Diese vier Worte, mit starkem amerikanischen Akzent gesprochen, rissen mich aus meinen Tagträumen, und mir wurde schlagartig bewusst, dass ich nicht allein war. Ich drehte mich um und erwartete …
    Tja, was eigentlich? Ich weiß es bis heute nicht so genau. Vermutlich gar nichts. Bloß wieder so einen Touristen mit Kamera und Reiseführer. Schließlich wimmelte es in der ganzen Stadt nur so von denen. Wenn überhaupt, ärgerte ich mich höchstens ein bisschen, so unsanft aus meinen Träumen gerissen worden zu sein.
    Und dann sah ich Nathaniel zum ersten Mal.
    Lange, verstrubbelte Haare. Blond. Jeans und T-Shirt. Converse All Stars.
    Und da wusste ich es.
    In dem Bruchteil einer Sekunde, den ich brauchte, um ihn
von Kopf bis

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