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Trainspotting: Roman (German Edition)

Trainspotting: Roman (German Edition)

Titel: Trainspotting: Roman (German Edition)
Autoren: Irvine Welsh
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ihn auf dem stillgelegten Betriebsbahnhof fürchterlich verprügelt hatte. Matty hatte es herausgefunden und sich hinter Sutherland hergemacht, der so alt wie Anthony, also zwei Jahre jünger als er selbst war. Anthony erinnerte sich noch an die gespannte Erwartung auf Sutherlands vollständige Demütigung durch seinen Bruder. Aber dann war doch wieder nur er gedemütigt worden, diesmal stellvertretend. Es war fast so schlimm wie die Prügel, die er selbst von Sutherland bezogen hatte, zuzusehen, wie sein alter Widersacher seinen Bruder geradezu spielerisch überwältigte und ihm die Scheiße aus dem Leib prügelte. Matty hatte ihn hängenlassen. Seitdem hatte er alle hängenlassen.
    Die kleine Lisa Connell war traurig, daß ihr Papa in der Kiste lag, aber nun würde er Flügel haben wie ein Engel und in den Himmel kommen. Ihre Mammi hatte geweint, als Lisa ihr das erzählt hatte. Es war so, als schliefe er in der Kiste. Ihre Mammi meinte, die Kiste komme in den Himmel. Lisa glaubte, daß Engel Flügel bekommen und in den Himmel fliegen. Sie machte sich ein wenig Sorgen darüber, daß Papa nicht fliegen konnte, wenn sie ihn nicht aus der Kiste ließen. Aber wahrscheinlich wußten sie, was sie da taten. Himmel klang toll. Eines Tages würde auch sie in den Himmel kommen und ihren Papa besuchen. Wenn er sie in Wester Hailes besuchen kam, war er meistens krank, deshalb durfte sie nicht mit ihm reden. Es wär bestimmt toll, in den Himmel zu kommen, mit ihm zu spielen, so wie früher, als sie noch ganz klein war. Im Himmel würde es ihm wieder bessergehen. Der Himmel wäre anders als Wester Hailes.
    Shirley hielt ihre Tochter fest an der Hand und wuschelte ihr durch die Locken. Lisa schien der einzige Beweis zu sein, daß Mattys Leben nicht umsonst gewesen war. Doch wenn man das Kind anschaute, konnten nur wenige sagen, daß das kein überzeugender Beweis war. Aber Matty war nur dem Namen nach Vater gewesen. Der Pfarrer hatte Shirley verärgert, indem er Matty als Vater bezeichnete. Sie war Vater und Mutter zugleich. Matty hatte seinen Samen dazugegeben, war ein paarmal aufgetaucht und hatte mit Lisa gespielt, bevor der Stoff ihn im Griff hatte. Das war sein einziger Beitrag gewesen.
    Er war immer schwach gewesen und unfähig, sich seiner Verantwortung und der Macht seiner Gefühle zu stellen. Die meisten Junkies, die sie kennengelernt hatte, waren verkappte Romantiker. Matty auch. Das hatte Shirley so an ihm gemocht, als er offen, zärtlich, liebevoll und lebenslustig war. Aber das hielt nicht lange an. Noch vor dem Heroin hatte sich schon eine Schärfe und Verbitterung über ihn gelegt. Früher hatte er ihr Liebesgedichte geschrieben. Sie waren sehr schön, vielleicht nicht im literarischen Sinn, aber in der ungeheuren Reinheit der wunderbaren Gefühle, die sie ihr vermittelten. Einmal hatte er ein besonders hübsches Gedicht, das er ihr geschrieben hatte, gelesen und dann verbrannt. Unter Tränen fragte sie, warum er das gemacht hatte; die Flammen waren ihr so symbolisch vorgekommen. Das war das Schmerzhafteste, was Shirley je in ihrem Leben erlebt hatte.
    Er hatte sich umgedreht und die heruntergekommene Wohnung betrachtet. – Schau dich doch um. Du solltest solche Träume nich haben. Du machst dir doch bloß was vor und quälst dich damit.
    Seine Augen waren schwarz und undurchdringlich gewesen. Sein ansteckender Zynismus und seine Verzweiflung hatten Shirley jede Hoffnung auf ein besseres Leben genommen. Früher hatte es ihr beinahe das Leben aus dem Leib gepreßt, bis sie mutig genug war zu sagen: Schluß damit.
    2
    – Nicht so laut, meine Herrschaften, bitte, flehte der Barkeeper mit gequältem Gesichtsausdruck den Kern der Kampftrinker an, auf die die Trauergesellschaft zusammengeschmolzen war. Stunden stoischen Saufens und nachdenklicher Erinnerungen waren schließlich dem Gesang gewichen. Sie fühlten sich großartig dabei. Die Spannung fiel von ihnen ab. Sie ignorierten den Barkeeper.
    Shame on you, Seamus O’Brien,
    All the young girls in Dublin are cryin,
    They’re tired of your cheatin and lyin,
    So shame on you, Seamus O’Brien!
    – BITTE! Seien Sie doch leiser! rief er. In dem kleinen Hotel in der besseren Gegend der Leith Links war man ein solches Benehmen nicht gewöhnt, schon gar nicht an einem Wochentag.
    – Was zum Henker sagt der Arsch? Ham schließlich das Recht, gebührend Abschied von nem Kumpel zu feiern! Begbie warf einen Geierblick zu dem Barkeeper hinüber.
    – He Franco. Renton
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