Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
getan? Sie haben sie von dem Fall abgezogen!« Ich schüttelte den Kopf.
»Sie tragen genauso viel Schuld an der Scheiße, die er gebaut hat. Sie haben ihn
im Stich gelassen, als er in diesem ganzen Sumpf die Orientierung verlor. Also ersparen
Sie mir gefälligst Ihr Gerede über Loyalität und Verantwortung.«
Sein Gesicht
kam auf mich zu und ich roch den Kaffee, der noch auf seiner Zunge klebte. »Sie
haben keine Ahnung, wovon Sie da reden! Oder hat er Ihnen jemals gesagt, was er
sich während der VE alles hat zuschulden kommen lassen? Und ich meine damit nicht
die Höhenflüge auf Crack oder die eingeschlagenen Fenster.« Er wartete ab, doch
ich sagte nichts. »Seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie behaupten. Denn nur mir
hatte er es zu verdanken, dass er überhaupt seinen Job behielt. Dass er später ins
MEK vorrückte. Selbst im Verfahren zu Ungunsten Tozduman habe ich als sein damaliger
Vorgesetzter ein gutes Wort für ihn eingelegt.« Er zeigte auf sich selbst. » Ich habe ihn nicht in den Knast getrieben.«
»Nein«,
sagte ich. »Noch nicht.«
Er wandte
sich ab und ging.
»Wer ist
diese Kollegin, die Sie eingeladen hat?«, rief ich ihm hinterher. Er reagierte nicht
darauf. »Und das Beweismaterial? Wo haben Sie es hergenommen?«
Er winkte.
»Auf Wiedersehen, Frau Roloff!«
Die Regentropfen
rannen meine geballten Fäuste hinunter und ich schlang die Arme um meinen Oberkörper.
Die Wut brannte in meinen Augen. Ich war wütend auf Brülling, wütend auf Gregor,
aber allem voran war ich wütend auf mich selbst.
Zugegebenermaßen
hatte Brülling recht. Gregor war für die derzeitige Situation nicht nur mitverantwortlich.
Er war die treibende Kraft gewesen. Es war seine verdammte Pflicht, sich ihr zu
stellen und alles Nötige zu tun, um sie nicht eskalieren zu lassen. Um ›seine‹ Leute
vom Schafott zu holen.
Allerdings
konnte ich auch Gregors Standpunkt verstehen. Denn jeder, der an diesem Spiel teilgenommen
hatte, wusste, worauf er sich einließ. Gregor hat ihnen strikte Anweisungen gegeben.
Doch die wurden nicht eingehalten. Es wäre ungerecht, wenn Gregor nun für die Eigensinnigkeit
der anderen den Kopf allein hinhalten musste.
Herrgott,
ich konnte es selbst Ansmann nicht verübeln, wenn er Gregor an die Ermittlungsführer
verriet, um eine mildere Strafe zu erhalten. Einst zogen alle an einem Strang. Doch
nun musste jeder seine eigene Haut retten.
Und ich
stand mittendrin und verstand nicht mehr, was recht und unrecht war.
Brülling
hatte mir nicht umsonst so ausschweifend davon erzählt. Er benutzte mich. Er erwartete,
dass ich zu Gregor ging und ihn dazu überredete, seine Aussage zu machen. Er wollte
mir ins Gewissen reden. Und ich hatte das Gefühl, er hatte mich fast so weit.
19.
Ich betrat Gregors Wohnung und es
überraschte mich kaum, dass sie sich in exakt demselben Zustand befand, wie wir
sie verlassen hatten. Hebelordner lagen auf dem Boden verteilt, Papiere waren aus
den aufgesprungenen, verbogenen Halterungen gerissen und fächerartig über den Teppich
verteilt. Stifte sowie anderer bunter Kleinkram besprenkelten das Chaos bis in die
hinterste Ecke des linksseitigen Zimmers. Alles machte den Anschein, als hätte hier
unlängst ein Durchsuchungstrupp seine Arbeit beendet – mit der Ausnahme, dass die
Polizei mit den Sachen wesentlich freundlicher umgegangen wäre als der tatsächliche
Eigentümer.
Ich kniete
mich vor das nächstbeste Papiersammelsurium und räumte es zusammen, indem ich es
mehr sporadisch denn akkurat zu einem Stapel verarbeitete. Das Gleiche tat ich einige
Zentimeter weiter östlich und übersah dabei geflissentlich die Betreffzeilen der
behördlichen Dokumente. Ich wollte nichts darüber wissen. Weder gingen mich seine
Sozialversicherungsnachweise noch die Inhalte irgendwelcher Arbeits- oder Sozialamtsbescheide
an. Ich wusste ohnehin schon zu viel.
Ich setzte
mich auf und befand mich auf Augenhöhe mit dem Tastatureinschub des Schreibtischs,
auf welchem ich Gregors Laptop entdeckte. Es war ein gutes Gerät, sicher keine fünf
Jahre alt. Eigentlich war es eine Schande, das Ding in seine Einzelteile zu zerlegen.
Sofern ich überhaupt dazu in der Lage war.
Ich griff
mir den Rechner mit beiden Händen und trug ihn wie ein rohes Ei vor mir her. Ich
setzte mich auf die Matratze und ließ die Handflächen über den silberfarbenen Bildschirmdeckel
gleiten.
Meine Fingerkuppen
saugten sich an dem Metall fest.
Meine Fingerabdrücke.
Was zur Hölle tat ich da
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