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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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jenseits seiner fernen Wände, andere Zentren des Wissens, der Erinnerung, der Weisheit.
    Dies war eine weitere augenfällige Metapher, konstruiert von ihrem Geist, der sich bemühte, die Flut der empfangenen Informationen zu deuten – eine Metapher für das Gedächtnis, für die gesammelten Erinnerungen der Transzendenz. All das würde ihr zugänglich sein, wann immer sie wollte, so zugänglich, wie es ihre eigenen Erinnerungen schon immer gewesen waren.
    Nun änderte sich etwas an der Arbeitsweise der geduldigen Bibliothekare, wie sie sah. Manche schufen Platz in einem Regalblock, und andere brachten einen neuen Stapel von Materialien herbei. Sie waren zu weit entfernt, als dass Alia Einzelheiten erkennen konnte. Aber sie wusste, was sie dort taten. Dies war ihr eigener erbärmlicher Haufen von Erinnerungen, ihr ganzes, erst einige wenige Dekaden währendes Leben, das von den riesigen Wissensbänken hier in den Schatten gestellt wurde. Und dennoch würde sie hier einen Platz bekommen; sie würde in Ehren gehalten werden. Andere würden so mühelos auf ihre Erinnerungen zugreifen können wie sie selbst, ebenso wie sie auf die Erinnerungen anderer – und sogar auf die größeren kollektiven Erlebnisse der Transzendenz selbst, die sich für sie nun als schattenhafte Berge der Information jenseits der Grenzen des Archivs abzeichneten.
    Und für alle Zeiten bewahrt, brauchten die Erinnerungen, die sie definierten, nicht mit ihr zu sterben – und deshalb brauchte sie nicht zu sterben, niemals. Sie benötigte Reaths »Unsterblichkeitspille« nicht; in diesem kühlen, erinnerten Sinn war sie bereits eine Unsterbliche.
    Aber auch jetzt befand sie sich gewissermaßen nach wie vor außerhalb der Transzendenz. Sie war noch immer sie selbst, noch immer klein, in sich abgeschlossen und vollständig. Doch es gab einen Platz für sie hier in dieser gewaltigen Kathedrale des Geistes. Sie musste nur einen letzten Schritt tun.
    Sie spürte einen Hauch von Zweifel. Es war, als schaue sie auf sich selbst zurück, auf ihren Körper, der nun friedlich auf seiner Matratze lag.
    Und dann ließ sie sich endlich in die Umarmung der Transzendenz fallen.
     
    Die Transzendenz war ein Körper. Sie spürte ihre Glieder, die Körper ihrer menschlichen Heerscharen, die bereits nach Milliarden zählten und über tausende von Welten verstreut waren. Und doch war sie sich auf andere Weise der einzelnen Körper, aus denen diese gewaltige Masse bestand, ebenso wenig bewusst wie der Zellen ihres eigenen Körpers.
    Und das Bewusstsein der Transzendenz war nicht nur ein Netz vereinter geistiger Wesenheiten. Es entsprang aus diesem Netz, wie Eisblumen aus den Interaktionen von Eismolekülen entstanden. Das Ausmaß und die Erhabenheit ihrer Gedanken verwirrten sie, den Funken, der immer noch Alia war. Die Transzendenz war ein Sinfonieorchester, das sie mit seinen mächtigen Themen überwältigte – und dennoch war ihr einsames Tönen ein wesentlicher Teil des Ganzen.
    Sie verlor sich nicht. Sie blieb weiterhin Alia. Sie war sich sogar ihres eigenen Körpers auf seiner Matratze bewusst. Mit zunehmender Geschicklichkeit würde sie normal funktionieren, ein ganz und gar menschliches Leben führen können, während sie sich zugleich in der größeren Gemeinschaft der Transzendenz engagierte. Es war, als täte man zwei Dinge zugleich, als ginge man spazieren und unterhielte sich dabei. Es würde ein Leben auf zwei Ebenen sein, genauso wie sie es bei den Transzendenten dieser kleinen Welt gesehen hatte.
    Und nun erblickte sie die gewaltigen Ziele der Transzendenz, den Bauplan hinter dieser grandiosen Architektur. Sie spürte ihren ungeheuren Ehrgeiz, jeden menschlichen Geist in ihren gewaltigen Zusammenfluss der Gedanken einzubeziehen, ihn in die ultimative Umarmung der Transzendenz aufzunehmen. Dann würde der Tag kommen, an dem die aus der Menschheit entstehende Transzendenz das höchste Bewusstsein dieses kosmischen Zeitalters werden würde, und sie würde die Form des ganzen Universums annehmen. Dies war der Traum eines jungen, unfertigen Gottes – ein Traum von Macht, aber noch ohne eine Vorstellung, was er damit anfangen wollte. Dazu würde jedoch Zeit genug sein, eine Ewigkeit im wahrsten Sinne des Wortes.
    Und bis dahin gab es Reflexion.
    Sie fand Erinnerungen. Da waren die Glühwürmchenfunken einzelner Leben – sie spürte Geburt, Tod, Liebe, Sex, Verzweiflung, Triumph. Über diesen Erinnerungsfetzen erhoben sich die größeren Erinnerungen des

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