Trapez
»Ich kann es nicht mehr ertragen, Matt.«
»O Gott, Angelo«, murmelte Mario. »Schau mal, diese Woche war hart, wirklich hart, mach ein oder zwei Tage Pause, la ss Jock einspringen, ruh dich aus, nimm dich zusammen und warte ab, wie du dich dann fühlst, okay?
Aber überstürze so etwas nicht! Sieh mal, Angelo, ich weiß , wie du dich fühlst.«
»Ja? Ich weiß nicht«, sagte Angelo. »Ich glaub’ nicht!«
»Meinst du das wirklich, Angelo? Du willst uns allen das antun? Nicht nur mir, sondern der – der ganzen Familie?« Mario schluckte hart. »Wie, zum Teufel, kannst du so etwas tun? Was sollen wir machen? Was ist mit Tommys Vertrag? Was ist mit den ›Flying Santellis‹?«
»Ich hasse es, das zu sagen, Matt, aber es ist mir wirklich schei ß egal «, sagte Angelo und zündete sich noch eine Zigarette an. »Es ist ja nicht so, als ob ihr alle Teenager wärt. Ihr braucht niemanden, der euch die Hand hält.
Sogar der Junge ist alt genug, um auf sich selbst aufzupassen.« Er warf Tommy einen seltsamen, harten, feindseligen Blick zu. »Hör zu, Matt, ich habe mir mein ganzes Leben lang Sorgen über die verdammte Familie gemacht. Ich will zur Abwechslung mal an mich denken und an Tessa, meine Familie.«
»Angelo, um Gottes willen«, flehte Mario, und Tommy fühlte, dass er den Tränen nahe war. »Tu mir das nicht an, tu uns allen das nicht an! Sieh mal, du bist mein – mein Fänger, der einzige, mit dem ich je gearbeitet habe. Wie kann ich ohne dich Dreifache machen? Oder – oder überhaupt etwas? Ich habe immer gesagt, dass du das Rückgrat der Santellis bist. Du bist derjenige, der die ganze Show zusammenhält.«
»Matt, Junge«, sagte Angelo, streckte seine Hand aus und ergriff die von Mario. »Ich will dir doch nicht weh tun, Junge, keinem von euch und besonders dir nicht.
Johnny und Stel – sicher, ich weiß , dass sie klarkommen werden, aber du wirst es auch, irgendwie. Und ich werde nicht den Rest meines Lebens damit verbringen, zu versuchen gegen Johnny anzukämpfen und alles zusammenzuhalten. Ich dachte, ich könnte es, aber ich bin einfach nicht dafür geschaffen. Und ich werde es auch nicht versuchen.«
Mario starrte ihn bitter an, mit Schmerz über den ›Verrat‹ in seiner Stimme. »Papa Tony hat sein ganzes Leben damit verbracht, zu versuchen die ›Flying Santellis‹ zurückzubringen. Er hat uns wieder aus dem Nichts aufgebaut. Und noch bevor er in seinem Grab kalt geworden ist, lä ss t du das im Stich. Alles, wofür er je gestanden hat.
Du lausiger…«, aber er sprach nicht zu Ende, sondern saß bloß da und starrte auf Angelo mit von Schmerz und Enttäuschung gezeichnetem Gesicht.
»Ich hätte wissen sollen, dass du mir das vorwerfen würdest«, erwiderte Angelo und drückte die Zigarette unter seinem Absatz aus. »Okay, Matt«, sagte er schließlich . »Ich hätte nie gedacht, dass ich das jemandem erzählen würde. Ich dachte, dass ich es nicht mal dem Priester bei der Beichte sagen würde. Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich es nie getan. Aber es ist etwas mit mir passiert, seit sie meinen Vater tot aus der Manege getragen haben. Verdammt, ich hab eigentlich nie fliegen wollen!«
»Wovon redest du, zum Teufel?« fragte Mario.
»Das habe ich doch gerade gesagt. Ich wollte niemals fliegen, darum – darum habe ich nie wirklich – wirklich Terry verstehen können. Papa Tony hat mich nie gefragt.
Er hat bloß gesagt, als ich ungefähr zwölf war: ›Na, Angelo, du wirst ja ein großer , starker Junge. Wir werden dir das Fliegen beibringen.‹ Ich hab’ einfach getan, was mir gesagt wurde. Es war das Familiengeschäft, als ob wir Schuhe repariert oder Makkaroni verkauft hätten und dann, als ich anfing ziemlich gut zu werden – du kannst dich nicht daran erinnern, Lu hat nicht viel darüber erzählt. Als Lucia erfuhr, dass Liss unterwegs war, vielleicht hat man es dir erzählt, bekam sie einen Wutanfall.
Sie ist jetzt so ruhig, man würde es nicht glauben, sie wütete und schrie und weinte und tobte die halbe Nacht.
Papa Tony, Joe und Matthew haben mehr als sechs Stunden gebraucht, um sie nur ein bi ss chen zu beruhigen. Am nächsten Tag sagte Papa, im Küchenzelt am Fliegertisch zum alten Luciano: ›Lucia wird für acht, neun Monate nicht mehr im Akt dabei sein . Was werden wir tun, um sie zu ersetzen?‹ und der alte Lucky Starr sagte, Cleo könnte Lucias Stelle in der Show übernehmen. Und dann sagte er: ›Dein Junge, dieser Angelo, kann Cleos Platz einnehmen.‹
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