Trapez
worden, aber sie sagten, es wäre zu verwirrend, zwei Lucias in der Nummer zu haben, also haben sie gleich angefangen, Elissa zu ihr zu sagen. Auf ihrer Geburtsurkunde steht immer noch Lucia Cleo.«
All das schien Tommy völlig unverständlich. Er sagte:
»Ich wollte nie etwas anderes als fliegen.«
»Ich weiß , ich hatte schon Glück beim Film, Flugnummern für Lillian Whitney zu doubeln – ich habe ein halbes Dutzend Fänge und einen doppelten Rückwärtssalto gemacht. Ich habe auch Stunt-Arbeit gemacht – Onkel Angelo kennt jeden in dem Geschäft. Jedenfalls will ich deswegen nicht in dem Haus leben, weil ich von meinem Auftragsdienst Anru fe für Barbara Clayton bekomme, und ich kann mir schon vorstellen, wie Lucia sagt, dass hier niemand wohnt, der so heißt .«
»Ich glaub’, dass Angelo das verstehen würde«, sagte Tommy. »Er war derjenige, der Mario zum College geschickt hat.«
Barbara hob skeptisch ihre Schultern. »Onkel Angelo?
Die Familie ist Gott, und Onkel Angelo ist ihr Prophet.«
Sie starrte in das verlösc hende Feuer. »Komisch, ich hab’ immer gedacht, dass es Mario sein würde, mit dem ich darüber sprechen könnte. Er war wirklich ein guter Tänzer, weißt du. Und er war immer so abgeschieden von der Familie. Er lebte da draußen , hatte einen Job da draußen und alles. Und doch ist er jetzt hier, direkt wieder mittendrin.«
»Ich nehme an, die Familie bedeutet ihm sehr viel.«
»Das kann ich mir nicht vorstellen«, sagte Barbara.
»Auch bei Johnny. Er wollte nicht einmal den Namen Santelli benutzen, als er jünger war. Er hat so getan, als ob alles, was er wollte, wäre, sich loszulösen und selbständig zu sein. Und er redete heute Abend so, als ob es nichts gäbe, was er lieber wollte, als alles noch einmal von vorn zu beginnen. ›Auf die Flying Santellis –ancora! ‹ und das ganze Zeug. Vielleicht hätte ich es bei Mario noch verstehen können, bei Johnny klingt es wirklich merkwürdig.«
Tommy, der es selbst nicht völlig verstand, erinnerte sich plötzlich an einen Morgen, als Johnnys Maske harter Gleichgültigkeit gegenüber der Familie verrutschte.
»Vielleicht, weil er weiß , dass er und Stella nie eine eigene Familie haben können.«
»Vielleicht, aber das mü ss te es doch eigentlich leichter machen«, sagte Barbara. »Es waren Liss’ Kinder, die sie so angebunden haben.«
Tommy schüttelte seinen Kopf. »Das muss nicht immer so sein. Lucia hatte vier, und sie hat weitergearbeitet, bis sie verkrüppelt wurde.«
Barbaras Gedanken gingen einen eigenen Weg. »Als wir Kinder waren und am Samstag immer ins Kino gegangen sind – Weißt du noch? – Tante Lu sagte, ich sollte mir vornehmen, dich zu heiraten, wenn wir groß wären. Um dich im Familienakt zu behalten.« Unter ihren schrägen Augenbrauen warf sie ihm einen schnellen Seitenblick zu. »Aber du hast ja eine andere Möglichkeit gefunden, nicht?«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagte Tommy, aber er wu ss te es doch, und sie wu ss te es auch.
»Sieh mal, ich habe über Mario mein ganzes Leben Bescheid gewu ss t. Er ist immer mein Lieblingsvetter gewesen. Was ihn betrifft, war ich natürlich genauso ein Baby wie Tess – ihm waren alle egal, außer Liss, und sie hat ihn nie verstanden. Ich liebe Liss«, sagte Barbara. »Aber sie ist ein schreckliches Dummerchen. Beim ersten Mal , als Mario dich ins Haus gebracht hat, wu ss te ich, was er für dich fühlte. Davon kann man eine Menge in der Ballettschule sehen.«
Tommy fühlte sich unbehaglich. »Komm, Barbie, du weißt , dass er verheiratet war.«
»Ich hab’ auch seine Frau kennengelernt, und ich weiß , wie lange das gedauert hat. Susan war in jeder Beziehung ein herzloses Ding. Also habe ich ihretwegen keine schlaflosen Nächte gehabt. Eine Menge Jungs versuchen es auf beide Arten. So hatte er Tante Lucia nicht auf dem Hals. Deswegen sage ich es ja.« Sie drückte ihre langen, schlanken Finger um seine Hand. »Wenn du mal irgendwann heiraten mu ss t – aus dem gleichen Grund, um einen Skandal zur Ruhe zu bringen oder so – dann wird es in der Familie bleiben.«
Tommy war vor Barbaras wissenden Augen verlegen.
»Das wäre dir gegenüber nicht gerade fair, nicht?«
Barbara lachte, ein kleiner leiser Laut hinten in ihrem Hals. »Hab keine Angst, wir könnten immer einen Riesenstreit inszenieren und getrennt leben, bloß wenn ich verheiratet wäre, mü ss ten Daddy und Tante Lu zugeben, dass ich erwachsen bin und ein Recht auf mein eigenes
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