Trattoria Finale
waren mit einem Schlag leere Worte, die der knallharte Kriminalkommissar Kaiman nur vom Hörensagen kannte und für ihn nun ohne jede Bedeutung waren.
»Komm rein«, sagte er betont lässig. Als die Klinke sich vergeblich nach unten bewegte, fiel ihm ein, dass er zum Schutz vor ungebetenen nächtlichen Besuchern abgeschlossen hatte. Diese Besucherin war aber nun alles andere als ungebeten.
»Moment«, rief er deshalb gleich hinterher und ging, nackt wie er war, zum Eingang. »Bist du allein?«, schob er flugs nach.
»Ja«, war die ebenso kurze wie erfreuliche Antwort.
Einen kurzen Augenblick überlegte Kai noch, ob er sich etwas überziehen sollte, dann überwog die positive Grundeinstellung, die er zu seinem Körper hatte, und er öffnete die Tür. Die junge Russin trat ein. Ihr Blick ging kurz nach unten, blieb einen Atemzug lang auf seiner Halberstarkung haften und wanderte wieder herauf. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre sinnlichen Lippen, als sie sagte: »Schön, dass hier noch jemand wach ist.«
Kai wusste darauf nichts Beeindruckendes zu sagen und überbrückte seine Ideenlosigkeit zunächst damit, dass er die Tür schloss und möglichst maskulin grinste.
Aglaia schlenderte zu einem Sofa, ließ ihr entzückendes Hinterteil einen kurzen Moment, in dem Kai nicht zu atmen wagte, über der Sitzfläche schweben, bevor sie ihren Körper betont langsam auf dem Polster drapierte. Der Kommissar betrachtete sie mit der Begeisterung eines kleinen Jungen, der zum ersten Mal einen Lamborghini sieht. Sie trug eine silberne Schnürkorsage mit passendem Zeug für untenrum, wie Kai das mangels genauerer Produktkenntnis nannte, darüber ein durchsichtiges Ding, das ein in Damenwäschevokabular kundigerer Mensch wohl als Negligé bezeichnet hätte. Aglaia lächelte ihn an, und er fragte sich, wie lange er so nackt herumstehen und sie anstarren sollte. Und dann, während der Kriminalhauptkommissar Kai Mankowski darüber nachdachte, geschah etwas Unerhörtes. Seine Gedanken schweiften ab und begannen sich ernsthaft mit dem Hintergrund des Besuchs der jungen Russin zu beschäftigen. Kai überlegte, warum sich die Favoritin eines Mafioso, der für seine Eifersucht bekannt und berüchtigt war, nun offenherzig auf seinem Sofa räkelte. War sie so scharf auf ihn, dass sie das Risiko einzugehen bereit war? Oder steckte etwas anderes dahinter? Und so gern Kai auch Ersteres anzunehmen gewillt war, begannen doch einige Warnsirenen in dem zu logischem Denken fähigen Teil seines Gehirns zu lärmen. Sein Kreislauf begann unwillkürlich, den Blutfluss von unten nach oben umzuleiten, was die Denkleistung weiter erhöhte. Das verschaffte ihm einen klareren Blick auf Kostja Trigorin und die Zukunft seiner Testikel. Das Ergebnis war, dass Kai sich eilig eine Hose überstreifte und Aglaia fragte: »Schätzchen, nun mal ehrlich: Was willst du von mir?«
Sie öffnete ihren Mund zu einer Entgegnung, die Antwort kam jedoch von Koschej dem unsterblichen Gerippe, der plötzlich in der Tür stand: »Sie will nur das, was ich ihr befehle zu wollen!«
Kai spürte, wie die Raumtemperatur mit einem Male abrupt sank, und schaute an Trigorin vorbei, um zu sehen, ob hinter ihm jemand stand, der bitterkalte Luft ins Zimmer blies. Er versuchte, das Gefühl, dass ihm jemand einen Eisklotz in den Schritt gesteckt hatte, zu ignorieren, und sagte: »Koschej, du weißt, dass hier nichts geschehen ist, was dir Kummer bereiten müsste, nicht wahr?«
»Überlass mir, was Kostja Kummer bereitet, Kaiman. Aber sei beruhigt. Du bist ein selten dummer Hund, aber trotzdem clever genug, meine Aglaia nicht anzufassen. Ich habe dich vielleicht unterschätzt.« Mit einer Handbewegung forderte er Aglaia auf, sich vom Sofa zu erheben und neben ihm Position zu beziehen.
»Deine Hoden würden jetzt zermalmt unter meinen Füßen liegen, wenn du diesen Test nicht bestanden hättest.«
»Ah ja«, meinte Kai, dem zu dieser Aussage nichts anderes einfiel. Als Trigorin und Aglaia sein Zimmer verlassen hatten, starrte er noch eine ganze Weile gedankenverloren die Tür an. Dann atmete er tief durch und nahm sich vor, für den Rest seines Aufenthaltes in der Villa Sangue das Organ zwischen den Ohren auf Dauerbetrieb zu schalten und andere Bereiche auszublenden.
Ornella Pellegrino warf einen letzten Kontrollblick in die Küche. Die Aushilfskräfte hatten aufgeräumt, gespült und dann das Haus verlassen. Ornella löschte das Licht und wandte sich zur Tür. Sie war gerade einen
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