Trattoria Finale
haben Sie mir hier zugedacht? Und warum erzählen Sie so freimütig aus Ihrem gewalttätigen Leben?«
Ettore deutete eine Verbeugung an. »Sie sind direkt, aber das auf eine sehr charmante Art und Weise. Hat es Ihnen denn nicht gefallen, erlebte Geschichte aus der – sagen wir mal – rückwärtigen Perspektive zu teilen?«
»Natürlich waren Ihre Schilderungen sehr interessant für mich. Aber Sie haben mich doch eingeladen in meiner Eigenschaft als Agentin, die hinter Ihnen her ist, und nicht weil ich Historikerin bin.«
»Meine Liebe, Sie wurden auf uns angesetzt, eben weil Sie Historikerin sind, das zeichnet den Special Agent Rachel Fischer doch unter anderem aus, nicht wahr?«
»Sprechen Sie weiter.«
»Gerne. Wir, also Jacques und ich, setzen uns zur Ruhe, wie Sie wissen. Das ist vordergründig der Anlass für diese Feier. Ich muss Ihnen jedoch nicht erklären, dass man in unserer Branche nicht einfach in Rente geht. Das hätten wir dann ja vor mehr als zwanzig Jahren tun können, hihi. Wir sind alt, aber nicht senil. Absicherung im Alter hat nicht nur finanzielle Aspekte.«
»Kommen Sie zum Punkt, Ettore.«
»Ach, diese Amerikanerinnen«, seufzte der Sizilianer. »Bene! Wir erzählen Ihnen allen hier ein paar Geschichten. Aber dazu existiert ein Buch. So etwas wie ein Roman, ein Krimi. Unsere Memoiren.«
Rachel stieß einen Pfiff aus. »Und das wollen Sie veröffentlichen, falls – der Renteneintritt nicht wie gewünscht verlaufen sollte.«
Ettore grinste breit. »Ach, Rachel, Sie sind so clever. Natürlich, ich habe es Ihnen auch zu leicht gemacht. Entschuldigen Sie, ich wollte Ihre Intelligenz nicht beleidigen. Aber ja, Sie haben natürlich das Schwarze unter dem Nagel getroffen.«
»Und was soll ich mit diesem Buch?«
»Wenn alles gut wird, natürlich gar nichts. Wir haben das Manuskript bei einem Notar hinterlegt. Und dieser hat Anweisung, einem Verlag, mit dem wir einen Vorvertrag geschlossen haben, dieses Manuskript zur Produktion zu übermitteln. Und dieser Notar erhält eine verbindliche Mitteilung über den Tod von Ettore Violenza und Jacques Assaraf von einer ganz bestimmten Person.«
»Und die wäre?«, fragte Rachel, obwohl sie die Antwort kannte.
»Mein unterbelichteter Neffe Zippo natürlich«, grinste Ettore. »Aber nein, dafür kommen nur Sie infrage. Niemand wird Ihnen ein Haar krümmen, mit der CIA legt sich hier keiner an. Ihr Kollege Kaiman vom BKA wäre auch relativ sicher, wenn er nicht so ein hirnverbrannter Idiot wäre, dessen Stammhirn im Skrotum hängt.«
Rachel musste lachen. »Das haben Sie jetzt aber possierlich ausgedrückt. Darf ich das verwenden?«
»Gerne«, strahlte Ettore. »Und? Können wir auf Sie zählen?«
»Warum sollte ich das tun?«
»Sie erhalten am Ende dieser Feierlichkeiten eine Vorab-Kopie des Manuskripts, auch wenn das Buch niemals veröffentlicht wird.«
»Warum nicht sofort?«
Ettore lachte jetzt laut. »Aber, meine liebe Rachel, dann würde ich mich doch selbst um das Vergnügen bringen, was es mir bereitet, wenn ich sehe, wie Ihre hübschen Augen an meinen Lippen hängen, während wir am Tisch aus unseren Memoiren erzählen. Hui, was für ein langer Satz – war der grammatikalisch korrekt?«
»Ich denke schon«, antwortete Rachel. »Ich erhalte das Manuskript also noch vor meiner Abreise hier?«
»Sie haben mein Ehrenwort«, versicherte Ettore. »Wenn ich das Ihre habe, dass Sie den Notar unseres gewaltsamen Ablebens versichern werden, sofern es denn eintritt.«
»Gut, machen wir’s so«, stimmte Rachel zu.
Ettore strahlte über das ganze Gesicht und strich sich zufrieden durch den silberweißen Pferdeschwanz. »God bless America«, meinte er. »Ich liebe euch. Für einen guten Deal seid ihr immer zu haben.«
»Win-Win, nicht wahr?«
»So ist es«, sagte der Sizilianer, deutete einen Handkuss an und verließ den Raum. Als die Tür ins Schloss gefallen war, begann die CIA-Agentin fieberhaft zu grübeln, worin genau für die beiden Killer das »Win« bestand.
9. Kapitel
Wer ist da?« Kai Mankowski hatte sich ausgezogen, gewaschen und war bereit, ins Bett zu gehen. Er hatte während des Essens einem sehr guten Roten reichlich zugesprochen und spürte nun die Schlaf fördernde Wirkung des Nero d’Avola. Auf ein anstrengendes Gespräch mit seiner verdammt professionellen Kollegin hatte er nun überhaupt bis gar keine Lust mehr.
»Aglaia.«
Die Stimme elektrisierte Kai bis in alle Glieder. Müdigkeit, Unlust, Bettschwere – das
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