Trattoria Finale
selbst es, der kein Zimmer bekommen könne.
»Aber für uns wurde reserviert«, sagte Ettore. »Vielleicht handelt es sich um einen Irrtum?«
Der junge Mann lächelte, als wolle er damit andeuten, dass man in der Schweiz sei und Irrtümer aus Tradition nicht vorgesehen seien. »Es ist schon so, dass ein Herr Griessen sich hier wegen einer Reservierung gemeldet hat. Aber wir konnten zu diesem Zeitpunkt leider schon nichts für Sie tun. Ihr Sekretär hat Sie wohl nicht mehr erreicht.«
»Nein, das hat er nicht«, sagte Jacques und versuchte, das Bedauern im Gesicht des Concierge nachzuahmen. »Dann versuchen wir es halt woanders.«
»Tun Sie das, meine Herren. Ich denke, im
Richmond
nebenan könnten Sie durchaus noch Glück haben.«
Die beiden wandten sich von der Rezeption ab und gingen Richtung Ausgang. Da vernahmen sie einen Ruf: »Mister Gates, ein Telefongespräch für Sie. Möchten Sie es annehmen?«
Der Mann, der auf diese Ansprache reagierte, nickte nur kurz und begab sich zu einer Telefonzelle, die sich am Rand der Lobby befand. Ettore und Jacques beobachteten ihn während des Telefonats. Er trug einen dunklen Anzug mit dunkler Krawatte, ein weißes Hemd und kurzes, grau meliertes Haar mit Seitenscheitel. Als der Amerikaner die Zelle wieder verließ, ging Ettore einer plötzlichen Eingebung folgend auf ihn zu und sprach ihn an: »Entschuldigung, Mister Gates. Kann ich Sie kurz sprechen?«
Zwei weitere Männer, die ebenfalls sehr amerikanisch aussahen, nur wesentlich jünger und breiter als Robert Gates, kamen rasch näher. Ettore fügte schnell hinzu: »Mein Name ist Roloff.«
Gates blickte ihn überrascht an. Dann gab er den beiden Gorillas einen Wink, sich zurückzuhalten. »Sie sind Deutscher?«
»Ja.«
»Und was möchten Sie? Bitte kurz, ich bin sehr beschäftigt.«
»Das glaube ich Ihnen gerne. Eine ganz kurze, einfache Frage: Treffen Sie hier Dr. Barschel?«
Der Ausdruck der Überraschung in Gates’ dunkelgrauen Augen wurde noch stärker. Dann sagte er sehr ruhig und sehr leise: »Sie sind ein seltsamer Vogel, Mister Roloff. Und weil Sie vermutlich nicht mehr lange leben werden – und dafür werde nicht ich verantwortlich sein –, sage ich Ihnen was: Ja, ich habe mich mit Uwe Barschel getroffen. Er sagte, er habe Sie auch bereits am Flughafen gesprochen. Ich hätte nach seiner Beschreibung einen jüngeren Mann erwartet.«
»Vielleicht mag er mich«, lächelte Ettore. »Aber er ist zurzeit leider auch recht verwirrt, nicht wahr?«
»Was haben Sie jetzt vor?«
»Nun, zunächst werde ich schauen, ob man im
Richmond
nebenan noch ein Zimmer für mich hat. Und dann werde ich nochmals mit Dr. Barschel sprechen. Ich denke, ich kann ihm aus einer misslichen Lage heraushelfen. Teilen Sie dieses Interesse vielleicht mit mir?«
»Dieses Gespräch ist beendet, Herr Roloff«, sagte Robert Gates in kühlem, aber nicht unfreundlichem Ton. Dann verließ er das Hotel, seine beiden Mitarbeiter im Schlepptau.
»Sie haben wirklich damals Robert Gates in Genf getroffen?« Rachel schüttelte ungläubig den Kopf. »Nach meinen Informationen ist das eine Erfindung sensationsgeiler Reporter.«
Jacques antwortete: »Nein, meine Liebe, so war das. Gates war wirklich da. Damals war er ja noch nicht Verteidigungsminister Ihrer schönen Vereinigten Staaten von Amerika, sondern nur CIA-Führungskraft. Es gab ja auch den Piloten der Maschine, in der Gates nach Genf geflogen ist, und der sogar das Ticket besorgt hat. Das gab es aber nicht mehr, nachdem man ihn und seine Familie bedroht hat. Die CIA wollte nicht, dass Gates diesen Flug nach Genf genommen hat.«
Rachel zuckte ratlos mit den Schultern. »Wenn Sie es sagen.«
Ettore grinste. »Warum sollten wir lügen? Dafür werden wir nicht bezahlt. Geld gab es für etwas anderes, und deshalb jetzt weiter mit der Geschichte.«
Jacques und Ettore hatten im
Richmond
so gerade noch ein Einzelzimmer bekommen. Agenten aller Staaten, die international tätige Geheimdienste unterhielten, schienen in Genf abgestiegen zu sein. Sie hatten bis zum späten Abend auf das Erscheinen oder eine Meldung von Jean-Jacques Griessen gewartet, die aber ausgeblieben war. Das ständige Kommen und Gehen im
Beau Rivage
ließ auch keine besonderen Schlüsse zu. Uwe Barschel blieb unsichtbar. Die Uhr zeigte bereits weit nach Mitternacht. So blieb den beiden nichts anderes übrig, als dem Zimmer 317 einen Besuch abzustatten. Es war nicht schwer, das
Beau Rivage
unbemerkt zu betreten. Es
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