Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
beruhigen. „Aber ich war beunruhigt und …, da dachte ich, es sei besser, die Schlösser auswechseln zu lassen.“
Ich schließe die Augen. Scham überflutet mich wie eine riesige Woge. Ich wollte Ron die Wahrheit erzählen. Wirklich! Aber ich bringe es nicht über mich. Zu groß ist die Angst, seine Liebe zu verlieren. Zu groß die Befürchtung, er könne sich wie mein Vater von mir abwenden, sobald ich in Schwierigkeiten bin.
„Trotzdem, du hättest mir das sagen sollen.“ Ron zieht mich an sich, umarmt mich, als wolle er mich nie wieder loslassen. „Liebling, ich wäre doch sofort zurückgekommen. Selbst wenn es ein falscher Alarm war. Du musst doch fürchterliche Angst gehabt haben.“
Ron ist so besorgt und mitfühlend. Ich muss ihm erzählen, was geschehen ist. Ich kann diese Lüge nicht länger aufrechterhalten.
„Es gibt da etwas, was ich dir …“ Das Klingeln des Telefons unterbricht mich. Fast bin ich erleichtert, als ich das Gespräch entgegennehme.
„Tamara, du musst mit deiner Großmutter reden“, schallt es mir statt einer Begrüßung aus dem Hörer entgegen. Meine Mutter. Wenn sie „deine Großmutter“ sagt, braut sich Übles zusammen.
„Was ist denn los?“, frage ich, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass ich lieber nicht wissen möchte, was den Streit zwischen den beiden Frauen dieses Mal ausgelöst hat. Das Verhältnis zwischen ihr und Nana ist in etwa genauso entspannt wie unser Verhältnis zueinander. Kein Wunder also, dass sich die beiden regelmäßig in den Haaren liegen. Dieses Mal scheint es einen ernsten Hintergrund zu geben, denn meine Mutter reagiert gar nicht auf meine Frage, sondern ergeht sich sofort in einer Tirade:
„Ich weiß nicht, was diese Frau sich denkt. Es ist unfassbar. Sie führt sich auf wie eine Verrückte! Wahrscheinlich sieht sie sich zu viele dieser Klatschsendungen im Fernsehen an, und jetzt denkt sie, sie sei die zweite Demi Moore. Sich so aufzuführen …“
„Mutter“, unterbreche ich den Redefluss. „Wovon redest du?“
„Wovon ich rede? Das fragst du noch? Deine Großmutter hat einen Liebhaber. Einen jugendlichen Liebhaber! Der Mann ist nicht einmal halb so alt wie sie! Ach, was rede ich. Er ist jünger als du!“
Das verschlägt mir für einen Moment die Sprache. Nana war schon immer exzentrisch, und eigentlich dachte ich, dass sie mich durch nichts mehr in Erstaunen versetzen könnte. Mit ihren fast fünfundsiebzig Jahren trägt sie Highheels, Overknee-Stiefel, Miniröcke und tiefe Ausschnitte. Und sie kann es sich leisten. Sie spielt jeden Samstag noch immer 18 Löcher auf dem Golfplatz und sieht mindestens zehn Jahre jünger aus, als sie ist.
„Tamara. Hat es dir die Sprache verschlagen?“
„Ja. Eigentlich schon“, gebe ich zu.
„Du musst mit ihr reden und ihr diese schwachsinnige Idee austreiben.“
„Ich? Oh nein. Nana ist alt genug. Ich werde mich nicht in ihr Liebesleben einmischen.“
„Liebesleben? Pah. Der Mann ist nur an ihrem Geld interessiert.“
„Ja, aber …“
„Tamara, keine Ausflüchte! Du bist der einzige Mensch, auf den deine Großmutter hört. Wenn du ihr sagst, dass du es nicht richtig findest, dass …“ Mit einem Seufzer blende ich ihre Stimme aus und wartete auf eine Pause in ihrem Redefluss. Wenn sie in dieser Stimmung ist, hat es keinen Sinn, mit ihr zu diskutieren. Also tue ich das, was jeder halbwegs intelligente Mensch in meiner Situation tun würde: sie beruhigen, alles versprechen, was sie verlangt und darauf warten, dass sich das Problem von selbst löst.
Etwa eine halbe Stunde später kann ich das Gespräch endlich beenden. Natürlich nicht, ohne eine Vielzahl von Versprechungen gemacht zu haben, die ich nicht einhalten werde. Ron ist in der Zwischenzeit gegangen.
Ich seufze, bereite mir in der Küche eine Tasse Kaffee zu und nehme sie mit auf die Terrasse hinaus.
Eine sanfte Brise streichelt die Pflanzen und sorgt dafür, dass es nicht zu heiß ist. Nachdenklich nippe ich an dem Getränk. Mein Entschluss steht fest: Heute Abend wird Ron die Wahrheit erfahren. Bis dahin aber werde ich jeden Gedanken an dieses Gespräch verbannen und stattdessen überlegen, was zu tun ist. Es gibt noch so vieles für unsere Hochzeit zu organisieren. Schließlich soll es ein ganz besonderer Tag werden. Der Tag, an dem mein Traum endlich Wirklichkeit wird ...
Falls ich nicht in Untersuchungshaft sitze.
Der Gedanke holt mich mit einem Schlag in die Realität zurück. Angst überflutet
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