Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
mich. Nur zu gut kann ich mich an das Gefühl der Verzweiflung und Hilflosigkeit erinnern, das ich damals bei meiner ersten Verhaftung hatte. Aber dieses Mal ist es anders. Ron wird mir helfen, versuche ich mich zu beruhigen. Gemeinsam werden wir eine Lösung finden. Rons Fähigkeit, selbst die kompliziertesten Sachverhalte zu erfassen, ist mit ein Grund dafür, weshalb er es in seinem Beruf so weit gebracht hat und einer der jüngsten Vorstandsmitglieder einer kleinen Frankfurter Privatbank ist.
Wie um mir zu beweisen, dass ich nichts zu befürchten habe, dass ich es zusammen mit Ron schaffen werde, aus diesem Schlamassel herauszukommen, richte ich meinen Blick ganz bewusst auf den Teil des Gartens, den ich kürzlich in einen Friedhof verwandelt habe.
Keine gute Idee. Ein kalter Schauer kriecht meinen Rücken hoch. Was habe ich mir nur dabei gedacht? Ich kann doch nicht einfach eine Leiche verscharren! Wenn man einen Toten findet, ruft man die Polizei! So wie es in jedem guten Krimi gezeigt wird … Wer eine Leiche im Kofferraum durch die Gegend karrt oder sie hinten im Garten verscharrt, ist in aller Regel derjenige, der auch für das Ableben verantwortlich ist ... In dem Fall also: Ich, meldet sich eine weitere ungebetene Stimme.
Ich muss einen Anwalt einschalten. Was auch immer geschehen ist, eines ist gewiss: In unserem Haus hielt sich ein Fremder auf, der jetzt tot ist und auf unserem Grundstück begraben liegt.
Wie so oft in den letzten Stunden sehe ich plötzlich ein Bild vor meinem geistigen Auge. Ron, wie er gestern Abend nach Hause kommt und wütend darüber ist, dass ich betrunken bin und ihm ungerechtfertigte Vorwürfe mache. Ron, der das blau gestreifte Hemd trägt … das ich ihm gar nicht eingepackt hatte.
Ron trug das falsche Hemd! Ich weiß genau, dass er es nicht dabei hatte, weil ich ihm seine beiden weißen Shirts aus ägyptischer Baumwolle eingepackt habe. Ich erinnere mich besonders gut daran, weil ich die vorher noch bügeln musste. Und ich hasse Bügeln!
Mit ist, als hätte eine riesige Hand die Welt zum Stehen gebracht. Mit einem Schlag scheinen alle Geräusche um mich herum verstummt zu sein. Wie ein Automat stehe ich auf und gehe Richtung Terrassentür, um kurz darauf in unserem Schlafzimmer die Kleidungsstücke zu mustern, die Ron gestern anhatte. Normalerweise hätte ich sie schon in die Schmutzwäsche sortiert, aber heute Morgen war ich zu verwirrt, um daran zu denken.
Mit zitternden Fingern greife ich nach dem Hemd. Es ist das blau gestreifte! So betrunken war ich also doch nicht!
Mag ja sein, dass Ron wirklich nicht mit einer anderen Frau im Kurhotel war. Aber es ist unmöglich, dass er direkt von Brüssel nach Hause gekommen ist. Er muss schon vorher hier gewesen sein, um dieses Hemd abzuholen. Warum hat er das getan?? Und vor allem, wann?
Mein Herz beginnt, wie wild in meiner Brust zu hämmern, während die Fragen in einem rasenden Tanz durch meinen Kopf schwirren. Immer schneller und schneller drehen sie sich in meinem Gehirn. Solange, bis nur noch eine übrig bleibt:
Hat Ron mich also doch angelogen?
Nein! Energisch rufe ich mich selbst zur Ordnung. Ich werde nicht wieder damit beginnen, mich irgendwelchen Hirngespinsten hinzugeben. Man sieht ja, wohin das führt. Dieser Streit war der schlimmste, den wir je hatten, und ich werde dafür sorgen, dass es nie wieder so weit kommt. Ich habe mich getäuscht. Kann ich wirklich mit hundertprozentiger Sicherheit wissen, welche Hemden ich vor fast einer Woche für Ron zusammengepackt habe? Ich habe ja schon Probleme, mich an die Geburtstage meiner engsten Angehörigen zu erinnern!
Außerdem kann es durchaus sein, dass Ron das Hemd in den Koffer gepackt hat, bevor er überhaupt losfuhr.
Mit einem erleichterten Seufzer lasse ich mich auf das Bett fallen. Ich muss mit diesen Verdächtigungen aufhören. Auch wenn es verständlich ist, dass meine Nerven nicht die besten sind, kann ich von Ron nicht erwarten, so etwas zu tolerieren. Vor allem, solange er nicht weiß, warum ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch stehe .
Trotz dieser Überlegungen haben meine Hände wie von selbst begonnen, seine Jackentaschen zu durchsuchen. Natürlich tue ich das nur, um sicherzugehen, keine wichtigen Dokumente durch den Waschgang zu jagen, rechtfertige ich mich vor mir selbst. Ich vertraue Ron. Ich weiß, er würde mich niemals anlügen. Der Gedanke, er könne mit einer anderen Frau in einem Hotel übernachten, ist total abwegig.
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