Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
darauf hin, dass er möglicherweise nicht ganz astrein ist. Ich weiß noch nichts Konkretes, aber ich mache mir Sorgen um dich. Ich möchte nicht, dass du ihn heiratest, nur um dann festzustellen, was für ein Mensch er ist. Ich weiß, es ist kein guter Zeitpunkt so kurz vor der Hochzeit, aber trotzdem …“ Reinhard legt eine Pause ein. Selbst über die Telefonleitung höre ich sein Bedauern, mir eine solche Mitteilung zu machen.
„Mach dir keine Sorgen, Reinhard, ich heirate Ron nicht.“
„Du? Was? … Warum?“
„Er hat mich betrogen“, beantworte ich die Frage, die Reinhard in seiner Überraschung nicht formulieren konnte.
„Oh. Also … Das tut mir leid. Ehrlich.“
„Ja, mir auch.“
„Aber warum hast du mir nichts davon erzählt? Ich wusste ja gar nicht …“
„Ich habe es selbst erst heute rausgekriegt.“
„Schwesterchen, das tut mir wirklich, wirklich leid. Nicht, dass du ihn nicht heiraten wirst, denn das ist die erste gute Nachricht heute. Aber dass er dir so etwas antun konnte! Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, breche ich ihm jeden Knochen im Leib, das verspreche ich dir.“
„Das ist nicht nötig, außerdem ist Ron diesen Ärger überhaupt nicht wert. Ich werde es überstehen.“
„Möchtest du vorbeikommen? Tina hat bestimmt nichts dagegen. Komm zum Essen. Morgen fliegen wir auf die Seychellen, und ich würde gerne vorher noch einmal über alles mit dir reden.“
„Reinhard, das ist lieb von dir, aber ich brauche ein wenig Ruhe. Und euer trautes Eheglück ist im Moment ein bisschen zu viel für mich. Lass mir ein etwas Zeit, okay?“
„In Ordnung. Aber, Tamara, ich meine es ernst. Wenn du eine Schulter zum Ausweinen brauchst, dann komm vorbei. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was ich mit einer weinenden Frau anfangen soll.“
„Okay, ich nehme dich beim Wort“, antworte ich und lächle. Allein die Vorstellung, wie mein Bruder mit einer weinenden Frau an seiner Schulter hilflos dasitzt, ist Gold wert. Ich kenne Reinhard gut genug, um zu wissen, dass so etwas zu seinen schlimmsten Albträumen gehört. Lieber stellt er sich einem ganzen Rudel aufgebrachter Vorstandsmitglieder.
Nach dem Gespräch bin ich ein wenig besser gelaunt. Vielleicht hatte ich noch nie einen Freund, der mich wirklich geliebt hat, aber wenigstens gibt es zwei Menschen auf dieser Welt, die mich so akzeptieren, wie ich bin: Nana und Reinhard.
Es ist spät, als ich endlich im Mainhatten ankomme. Das hell erleuchtete Hotel wirkt wie eine Oase auf mich, so froh bin ich darüber, dass ich hier Zuflucht nehmen kann. Von jetzt an werde ich mich nur noch auf die positiven Aspekte meines Geldes und meiner Herkunft konzentrieren, beschließe ich, als ich durch die Schiebetüren trete und über den schwarzen Marmor schreite, der den Eingangsbereich dominiert. Kurz darauf gleitet der Lift nach oben und entlässt mich im sechsundzwanzigsten Stock. In der Suite angekommen, streife ich mir als Erstes die Schuhe ab. Meine Füße versinken in dem teuren Teppich, der sich so sanft und weich wie Moos anfühlt.
Trotz meiner gedrückten Stimmung zieht mich die vor meinen Augen ausgebreitete Skyline in ihren Bann. Die Stadt ist in der Dunkelheit wunderschön. Wie glitzernde Bänder winden sich die Straßen durch die Häuserschluchten, überall funkeln die Lichter der Wohnhäuser und Straßenlaternen wie Juwelen. Lange Zeit stehe ich versunken in diesen Anblick da. Merke, wie allmählich die Anspannung der letzten Tage verebbt.
Wenn es nur immer so wäre! Warum kann ich die Uhr nicht um eine Woche zurückdrehen? Damals war mein Leben noch in Ordnung. Ich war glücklich in Ron verliebt und hatte keine anderen Sorgen, als die Planung unserer Hochzeit.
Soll er in der Hölle schmoren! Der unschöne Gedanke macht alles wieder zunichte. Eigentlich wollte ich diesen Abend genießen und alle Gedanken an Ron und seine Untreue abschütteln. Den Toten ebenso vergessen wie die Angst, die mich in den letzten Tagen begleitet hat. Aber das ist nicht so einfach, wie ich dachte. Das Gespräch mit Reinhard hat mich erneut in einen Abgrund aus Zweifel und Angst gestoßen und mich mit der traurigen Erkenntnis konfrontiert, dass ich keine Ahnung habe, was Ron für ein Mensch ist. Für einen Augenblick denke ich darüber nach, ob ich meine treuen, kleinen Helferchen aus der Handtasche holen soll, um mich in den bewusstlosen Nebel der Schlaftabletten zu flüchten. Dann aber verwerfe ich die Idee. Nie wieder! In Zukunft muss ein
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