Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
entgegen. Anscheinend geht der Service über reine Sexdienstleistungen hinaus. Mir wäre es lieber, wenn er sein Geld einfordern und gehen würde. Dann könnte ich mich in Selbstmitleid wälzen und still vor mich hin leiden.
„Ja. Danke für den Kaffee“, lüge ich und nehme mit geschlossenen Augen einen Schluck.
„Ich hoffe, dir hat die letzte Nacht gefallen“, haucht er in mein Ohr, und ich lasse vor Schreck fast die Tasse fallen.
„Äh. Ja. Natürlich. Vielleicht können wir das Ganze demnächst wiederholen?“ Vielleicht erinnere ich mich dann sogar an etwas.
Amüsiert mustert er mich. Ihm ist meine holprige Antwort nicht entgangen, und ich werde rot. Es passiert schon wieder. Ich benehme mich wie eine blöde Landpomeranze, die noch nie mit einem gut aussehenden Mann im Bett war. Um von meiner Verlegenheit abzulenken, beiße ich ins Brötchen und hoffe, dass er die Röte in meinem Gesicht für das Resultat der heißen Dusche hält.
„Ruf mich an, wenn du Hilfe brauchst. Unter dieser Nummer kannst du mich Tag und Nacht erreichen.“
Er schaut mich eindringlich an, als ob das besonders wichtig wäre. Ich glaube zwar nicht, dass ich mitten in der Nacht einen sexuellen Notstand erleiden werde, nehme aber trotzdem das Papier mit seiner Adresse und Telefonnummer, das er mir hinhält. Hoffentlich geht er jetzt endlich.
Als hätte er meine Gedanken gelesen, steht er auf und zieht sich sein T-Shirt über, während ich den Augenblick nutze, um ihn ungestört zu mustern. Beeindruckende Bauchmuskeln. Toller Körper. Wenn er nur halb so gut im Bett ist, wie er aussieht, werde ich die nächste Nacht mit ihm bestimmt nicht vergessen. Falls ich ihn noch einmal wiedersehen werde. Aber warum eigentlich nicht? Ich habe es verdient, mich verwöhnen zu lassen. Mehr noch, ich habe es verdient, mich danach an alles erinnern zu können. Ich werde ihn anrufen. Die Frage ist nur, wann.
Während ich im Geiste diese Entscheidung treffe, ist Christian bereits auf dem Weg zur Tür. Dabei habe ich ihm noch nicht einmal sein Geld gegeben.
„Warte! Ich muss dir noch … ich habe dich noch nicht …“
Irgendwie will mir das Wort bezahlen nicht über die Lippen kommen. Es klingt so kalt, so, als wäre die letzte Nacht nichts anderes als eine geschäftliche Angelegenheit gewesen. War sie ja auch, aber trotzdem …
„Ach ja. Genau …“
Auch Christian wirkt, als wäre ihm das Thema mindestens genauso unangenehm wie mir. Kaum habe ich ihm das Geld in die Hand gedrückt, schlägt die Tür der Suite hinter ihm zu.
15
Unser Haus empfängt mich mit einer ungemütlichen Stille, als ich die Eingangstür öffne und vorsichtig den Flur betrete. Ein Frösteln überkommt mich. Die Räume sind dunkel und kalt. Ebenso wie meine Gedanken. Das Bild einer Leiche blitzt in meinem Gedächtnis auf.
Vor ein paar Tagen noch habe ich mich wohl und – vor allem – sicher gefühlt, aber jetzt komme ich mir vor wie in einem Mausoleum. Habe den Eindruck, dass mir die dicken Mauern die Luft zum Atmen nehmen. Und was die Sicherheit anbelangt … damit war es offensichtlich nicht weit her.
Fahrig, ohne wirklich darauf zu achten, was ich tue, falte ich die Umzugskartons, die ich mitgebracht habe, zusammen. Die einfachen braunen Kisten machen mir klar, dass dieser Lebensabschnitt beendet ist. Meine Beziehung mit Ron ist gescheitert. Auf der ganzen Linie. Und ich habe kein Zuhause mehr.
Fürs Erste werde ich im Mainhatten wohnen, dann sehe ich weiter. Das ist gut, rede ich mir zu. Kronberg ist mir ohnehin zu eng geworden.
Während mir diese Gedanken durch den Kopf wandern, habe ich mit dem Einpacken angefangen. Im Schlafzimmer. Von dort werde ich mich durch das obere Stockwerk nach unten vorarbeiten. Allzu lange sollte das nicht dauern …
Zwei Stunden später breche ich die Aktion frustriert ab. Wie kann es sein, dass ich für ein Zimmer eine Ewigkeit brauche? Und warum besitze ich so viele Schuhe? Ich habe bereits vier Kartons gepackt, voll mit Winterstiefeln, Stiefeletten und was ich sonst in der kalten Jahreszeit an den Füßen trage. Trotzdem wollen noch mehrere Reihen Sommerschuhe verpackt und mitgenommen werden.. Einige davon werde ich ins Hotel mitnehmen. Ein Koffer sollte dafür reichen. Die Frage ist, welche soll ich hier lassen? Oder besser gesagt, in einer Umzugskiste verschwinden lassen, die für unbestimmte Zeit im Keller stehen wird.
Nachdenklich mustere ich den Kleiderberg, der auf dem Bett liegt. Die Wahl der Schuhe
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