Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
Grimasse und tastet vorsichtig die Stelle ab, an der ich ihn getroffen habe. Zufrieden lächele ich ihn an.
„Wenn du wissen willst, was aus Ron geworden ist, solltest du das lieber lassen.“
„Ron kann meinetwegen zur Hölle gehen.“
„Tss, tss. Dabei wird es gerade erst spannend.“
„Ach, findest du?“
„Ja, oder möchtest du nicht wissen, was in der ersten Nacht, die wir miteinander verbracht haben, passiert ist?“
Schade, dass ich ihn bereits getreten habe, am liebsten würde ich es noch einmal tun. Als würde er meine Gedanken lesen, bringt er seine Beine in Sicherheit.
„Das mit dem Schlafmittel tut mir leid. Ehrlich, aber ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte.“
Ein Schlafmittel also. Deshalb konnte ich mich an nichts mehr erinnern. „Ist das nicht illegal? Eine Unschuldige mit einem Schlafmittel zu betäuben, nur um mehr über ihren Freund herauszufinden? Und wie kamst du so schnell an das Zeug heran?“
„Naja, sagen wir es so. Wenn das herauskommt, bin ich meinen Job los. Allerdings würde mein Wort gegen deines stehen. Und was das Rezept für das Mittel angeht: Ich habe meinen Eltern einen kurzen Besuch abgestattet. Wenn meine Mutter je davon erfährt, dass ich an ihrem Medizinschrank war, ermordet sie mich.“
Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. „Ich würde gerne einmal deine Mutter treffen!“
„Kein Problem. Wenn du nichts verrätst, verrate ich auch nicht, was du mit dem Toten gemacht hast.“
Darüber brauche ich nicht lange nachzudenken: vor allem, weil ich weiß, dass er recht hat.
„Okay. Aber nur, weil du mir leid tust und nicht, weil ich irgendetwas zu verbergen habe.“
„Ja, klar. Soll ich weitererzählen?“
„Natürlich. Was glaubst du, warum ich meine Zeit mit dir verschwende?“ Ich lehne mich zurück und verschränke die Arme vor der Brust, kippele mit dem Stuhl ein wenig nach hinten, so wie er es immer macht. „Wozu die Maskerade? Warum hast du mich nicht einfach gefragt, anstatt mir mit dieser Callboy-Nummer zu kommen?“
„Ich war nicht sicher, welche Rolle du in dem Ganzen spieltest. Es schien mir einfacher, dich schlafen zu lassen und mir die Dateien auf deinem Computer anzusehen. Ich weiß, es klingt übel, wenn ich es so erzähle, aber die Zeit drängte und …"
Christian fährt sich mit den Händen durch die Haare und seufzt.
„Es war eine blöde Idee. Ich handelte spontan, denn ich wusste dank meiner Nachforschungen von deinem Schlafmittelkonsum. Ron hatte es bei einem Telefonat, das ich mitbekam, erwähnt. Und da dachte ich, es sei nicht so schlimm. Auf eine Tablette mehr oder weniger komme es auch nicht mehr an.“ Christian schüttelt den Kopf. „Ich war ein Idiot. Und es tut mir leid.“
Stille dehnt sich zwischen uns aus. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Was Christian getan hat, erscheint mir kaltblütig und irgendwie respektlos. So, als sei ich ein Mensch, der in seinen Augen nicht viel wert ist. Jemand, dem man eben mal eine Droge verabreicht, weil ich ja ohnehin schon … Ohne mein Zutun bricht der Gedankengang in meinem Kopf ab. Stattdessen sehe ich mich mit Christians Augen. Die Verlobte eines Bankers, der in üble Machenschaften verwickelt ist. Die plötzlich verschwindet, nur um dann in der Suite eines Nobelhotels wieder aufzutauchen. Die sich einen Callboy aufs Zimmer bestellt und regelmäßig Schlaftabletten nimmt.
Vielleicht hätte ich an seiner Stelle ebenso gehandelt, denn mit einem Schlag kommt es mir so vor, als würde ich mich selbst nicht besonders wertschätzen.
Welcher Mensch nimmt Schlaftabletten, nur um die Vorbereitungen der eigenen Hochzeit durchzustehen? Und dann die Sache mit dem Callboy. Ich werde rot, wenn ich daran denke, wie ich damals mit dem Portier gesprochen habe, Christian die Tür öffnete, bereit, mich in ein bezahltes Abenteuer zu stürzen.
„Ist alles in Ordnung?“ Christian sieht mich besorgt an. Ich habe keine Ahnung, wie lange ich schon ohne etwas zu sagen am Tisch sitze.
„Nein. Nichts ist in Ordnung“, antworte ich. „Aber das ist nicht so wichtig. Für mich bleibt nur noch eine Frage offen: Wer hat Barelli ermordet? War es Ron?“ Angst schwingt in dieser Frage mit. Es ist schlimm genug, mit einem Kriminellen verlobt gewesen zu sein, aber mit einem Mörder? Innerlich bete ich, jemand anderes habe Barelli umgebracht. Auch, wenn es dafür zu spät ist. Ein Blick zu Christian hinüber genügt, um meine Gebete verstummen zu lassen. Ich kenne die Antwort.
„Es
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