Trau niemals einem Callboy! (German Edition)
Gracio zeigen will. Das ist nicht weit von Annas Haus entfernt. Angeblich soll die Wohnung einen wunderschönen Blick auf das Meer haben.
Zum ersten Mal seit Langem verspüre ich so etwas wie freudige Erwartung, als ich zu dem kleinen Apartmenthaus hinaufschaue. Das Gebäude ist auf einer Felsklippe erbaut, von hier hat man eine traumhafte Aussicht über die kleine Badebucht. Noch bevor ich einen Fuß in die Räume gesetzt habe, beschleicht mich ein Gefühl: Das ist es! Genau das, was ich gesucht habe!
Und ich habe recht. Ich gehe nur wenige Schritte in das Wohnzimmer hinein, und schon breitet sich das Mittelmeer in seiner ganzen glitzernden, azurblauen Pracht bis zum Horizont aus.
„Ich nehme es“, sage ich und breite die Arme aus, drehe mich in dem Raum und sauge die Atmosphäre in mich ein. Am liebsten würde ich wie Christian auf den Händen laufen, nur um meiner Freude Ausdruck zu verleihen. Bei dem Gedanken an ihn erstirbt mein Lächeln. Ich vermisse ihn.
Es ist früh für spanische Verhältnisse, als ich von meinem Hotel zur Hafenpromade hinabsteige. Das Nachtleben hat noch nicht begonnen, und auch in den Cafés ist nicht allzu viel los. Die Mittagshitze ist einer lauen Brise gewichen, die mich sanft streichelt. Die Stadt, die kurz zuvor in einer verschlafenen Siesta versunken war, erwacht nur langsam zum Leben.
Ich setze mich in eine der Hafenbars und bestelle eine Flasche Rotwein. Wenn ich die getrunken habe, werden die Männer um mich herum bestimmt attraktiver aussehen. Ich habe schon drei Gläser hinter mir, als es allmählich lebendiger wird. Die bunten Nachtfalter, die die Promenade später beleben werden, sind zwar noch nicht unterwegs, dafür aber strömen jede Menge Touristen in die Altstadt.
Mein Kellner ist ein junger Bursche. Er sieht nicht schlecht aus, und ich schenke ihm ein strahlendes Lächeln. Mit ungerührter Mine stellt er den Teller mit meinem Essen vor mich hin. Okay, dann eben nicht.
„Ist hier noch frei?“, unterbricht eine männliche Stimme meine Überlegungen. Eine bekannte männliche Stimme. Christian steht vor mir und grinst mich an. Mein Herz macht einen Satz, aber ich unterdrücke die Freude. Erinnere mich daran, dass ich wütend auf ihn bin. Ich habe genug von Männern, die mich belügen.
„Nein. Hier ist besetzt“, erwidere ich mit einem eisigen Lächeln und schaue weg. Ignoriere ihn, tue so, als seien die drei Engländer am Nebentisch die faszinierendsten Männer, die ich je gesehen habe. Der Idiot soll bloß nicht denken, dass ich froh bin, ihn zu sehen.
„Gut.“ Christian zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich.
„Hörst du schlecht?“
„Nein, aber ich bin hier, um mit dir zu reden.“
„Vergiss es.“ Ärgerlich stehe ich auf und werfe ein paar Geldscheine auf den Tisch. Nur weg von hier, bevor ich anfange, mich in einen kreischenden Racheengel zu verwandeln.
„Bleib stehen.“
„Nein.“
„Tamara. Bleib stehen.“ Christian packt mich am Arm. Wütend drehe ich mich zu ihm um.
„Du hast mir gar nichts zu sagen. Lass mich los, oder ich schrei um Hilfe.“
Statt einer Antwort drängt er mich mit dem Rücken an eine Hauswand, hält meine Handgelenke in eisernem Griff fest und beugt sich über mich, als wolle er mich küssen.
„Tu’s doch“, flüstert er. Ich versuche, mich aus seinem Griff herauszuwinden, aber ich habe keine Chance. Dann eben doch Schreien. Er hat es ja nicht anders gewollt. Aber er ist schneller als ich, legt eine Hand über meinen Mund.
„Hör mir gut zu“, zischt er in mein Ohr. „Ich lasse dich jetzt los und du wirst dich benehmen.“ Christian klingt, als ob er es ernst meint. Er nimmt seine Hand vorsichtig weg.
„Und was tust du, wenn ich mich nicht benehme?“ Kann ich mir nicht verkneifen zu fragen.
„Bitte. Mach es mir nicht so schwer.“
Ich starre ihn wütend an und verschränke die Arme vor der Brust. Er atmet einmal tief durch. Dann nimmt er meine Hand.
„Komm. Ich lade dich auf ein Glas Wein ein und erzähle dir, was passiert ist.“
„Auf deine Lügen kann ich verzichten.“
„Es sind keine Lügen“, sagt Christian und schaut mir in die Augen. Ich erwidere den Blick, will ihn dazu zwingen, zuerst wegzuschauen, seine Schuld zuzugeben, aber den Gefallen tut er mir nicht. Stattdessen beugt er sich wieder über mich. Sein Gesicht kommt näher, ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel. Schnell drehe ich mich weg.
„Du wolltest mich einladen“, erinnere ich ihn.
„Wie hast du mich
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