Trauerspiel
tun, um diese Beerdigung trotz Ibel und Jung angemessen und seelsorgerlich zu gestalten. Verdrossen wählte Susanne die Nummer des Bestattungsinstitutes.
«J ung », hauchte es aus dem Apparat.
Betont sachlich und deutlich nannte Susanne ihren Namen und ihr Anliegen.
«Ach, Sie haben diese schwierige Aufgabe übernommen. Eine so junge Pfarrerin. Sind Sie denn dem Schmerz der Eltern gewachsen, in Ihrem Alter?»
Susanne hätte Konrad Jung auf der Stelle ermorden können, wenn das im Fall von Julia nicht makaber gewesen wäre.
«Ich werde mein Möglichstes tun», entgegnete sie sarkastisch. «Ist Ihr Kollege zu sprechen?»
«Stefan ist gerade im Abschiedsraum mit einer Trauerfamilie, da kann ich ihn auf gar keinen Fall behelligen, das würde die A ura des Augenblickes stören, und das wollen wir doch nicht.»
«Nein, das wollen wir wirklich nicht, Schwester Jung », rutschte es Susanne unwillkürlich heraus.
« Schwester Jung ?», kam es irritiert zurück.
«Nein, ich will Ihren Kollegen auf gar keinen Fall stören», ging Susanne nicht weiter auf den Einwurf ein. «Richten Sie Herrn Ibel doch bitte aus, dass ich die seelsorgerliche Begleitung der Angehörigen übernommen habe, er braucht sich bitte nicht zu bemühen.»
«Ja, wenn Sie meinen, Sie schaffen das …», erwiderte Konrad Jung.
«Ich schaffe das!», gab Susanne bestimmt zurück. «Und hoffentlich schaffen Sie es, mir den Termin der Bestattung mitzuteilen!»
Das jedoch war Konrad Jung nicht möglich, weil die Leiche noch beschlagnahmt war und das Institut auf die Freigabe warten musste.
«Gut», schloss Susanne das Gespräch ab. «Ich höre dann von Ihnen, wenn die Leiche von Julia Moll freigegeben ist.»
* * *
Susanne hatte sich auf den schweren Weg in die Goldenluftgasse gemacht. Es war ein wunderschöner Sommermorgen, der so gar nicht zu ihren trüben Gedanken passen wollte. Susanne hoffte, dass das Wetter wenigstens ein kleiner aufhellender Moment dieses traurigen Tages sein könnte. Insgesamt kam es ihr wie ein Déjà-vu vor. Vor zwei Monaten war es auch sonnig und warm gewesen, ein traumhafter Tag Ende März. Damals aber ging es um den Tod einer Dame, die ihr Leben – und es war ein interessantes Leben gewesen – gelebt hatte und die an einer Herzkrankheit gelitten hatte, die ihr in naher Zukunft eine selbständige Existenz schwer gemacht hätte. Elisabeth Berger war zwar nicht der Typ, den man sich gebrochen im Rollstuhl vorstellen konnte – diese starke Frau hätte gewiss auch noch der schlimmsten Krankheit die Stirn geboten. Damals jedoch, auf dem Weg zum Trauergespräch, hatte Susanne überlegt, dass es vielleicht eine Gnade Gottes bedeutete, dass Elisabeth Berger dieser Kampf erspart geblieben war.
Jetzt war ihre Enkelin tot und Susanne dankbar darüber, dass die Großmutter das nicht miterleben musste. An der Haustür der Goldenluftgasse war ein schwarzer Trauerflor angebracht. Brigitte Moll öffnete. Sie schien wie ein Schatten ihrer selbst. Brigitte Moll war der Typ Frau, der bei Elternabenden nie das große Wort führte, dafür aber die anliegende Arbeit zuverlässig erledigte. Julias Mutter war schon immer lieber im Hintergrund geblieben, möglicherweise, hatte Susanne vermutet, weil ihre Mutter Elisabeth Berger eine dominierende Dame war, die ganz Mainz kannte und umgekehrt. Elisabeth Berger war die Seniorchefin von «Berger-Sekt» gewesen, bevor diese renommierte Marke von einem marktführenden rechts rheinischen Unternehmen aufgekauft worden war. Susanne konnte sich noch aus Kinderzeiten an die berühmte Werbung für «Berger-Sekt» erinnern: Eine Terrasse vor einer Toskana-Kulisse, Damen mit weißen Hüten, elegant gekleidete Herren, eine strahlende Schönheit nimmt von einem charmanten Herrn ein Glas entgegen: «Für Sie nur Berger-Sekt, gnädige Frau, ich weiß!» Perlendes Lächeln belohnt das Bonmot. Susanne hatte bei ihren Besuchen bei Frau Berger immer an diese Werbung gedacht. Frau Berger hätte sich problemlos in die Szene einfügen können, als glanzvoller Mittelpunkt. Ihre Geburtstagsfeiern waren keine Kaffeekränzchen, das waren gesellschaftliche Ereignisse. Susanne erinnerte sich an Kaviarschnittchen und Gurkensandwiches auf englische Art, an hauchdünne Crêpes mit Lachsfüllung und Roastbeef mit Spargel auf Toast. Dazu gab es natürlich Berger-Sekt. Elisabeth Berger, immer hochelegant mit langer Perlenkette und Hut, empfing stets im Park von «Berger-Sekt», die Anlage stand ihr vertragsgemäß für
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